Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kristina, vergiß nicht

Kristina, vergiß nicht

Titel: Kristina, vergiß nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Faehrmann
Vom Netzwerk:
weitete sich die Ladenstraße zu einem kleinen Platz, in dessen Mitte eine Blumeninsel, voll gepflanzt mit gelben und blauen Stiefmütterchen, angelegt war. Ein halbes Dutzend Bänke lud zu einer Ruhepause ein. Eine Anzahl vor allem älterer Leute genoss die warmen Strahlen der Frühlingssonne.
    »Eine kleine Pause«, sagte Stanek. Übermütig pflückte er zwei der gelben Stiefmütterchen, reichte eines Kristina und klemmte das andere unter Wolfs Halsband. Sie setzten sich.
    »Hören Sie mal, junger Mann, wenn hier jeder Blumen pflücken wollte, wo kämen wir dann hin?«, knurrte ein Graukopf und fixierte Stanek vorwurfsvoll über den Rand seiner Brille.
    Stanek zog die Antennen heraus und schaltete sein Gerät ein. Die Wiedergabe war tatsächlich wunderbar. Das Mittagsmagazin spielte gerade einen letzten Hit ab.
    »Steckt allerhand drin, was?«, strahlte Stanek. Kristina wurde angesteckt von seiner Freude und wippte mit dem Fuß den Rhythmus mit. Stanek drehte laut auf, aber selbst Kristinas geschultes Ohr konnte keine Verzerrung des Tons, kein Überschnappen der hohen Lagen feststellen.
    »Wunderbar«, bestätigte sie. Stanek blickte rundum. Aber da verging ihm das Lachen. Nur finstere, missbilligende Gesichter von allen Bänken trafen ihn.
    »Unerhört!«, schimpfte der Mann, der neben ihnen auf der Bank saß. »Diese Banditen dürfen sich doch heute alles erlauben. Und die Polizei sieht man nicht.« Er stand auf und ging davon. Es dauerte einen Augenblick, bis Kristina begriffen hatte, wer die Banditen waren.
    »Mach’s leiser, Stanek«, sagte sie. Doch der starrte trotzig vor sich hin und sagte: »Ich denk nicht dran.«
    Von der gegenüberliegenden Bank kam ein Pärchen heran. Es hatte sich in hautenge Lederanzüge gepresst.
    »Toller Kasten«, sagte der junge Mann.
    »Spitzenmodell«, prahlte Stanek.
    »Aber zu laut, Junge. Ich kann ja gar nicht verstehen, was meine Lotte mir zuflüstert.« Er lachte und drückte das Mädchen an sich. »Nun dreh die Schraube schon ab«, forderte er Stanek auf, unfreundlich und schroff.
    »Aber warum soll ich denn?«
    »Dreh ab, Polack, sonst knallt’s.«
    Stanek schaltete das Gerät aus und reichte es Kristina. Er stand auf. Er reichte dem Lederjüngling bis ans Kinn. Aber in den Schultern waren sie gleich breit. Kristina brauchte nicht viel Phantasie, um sich auszumalen, was geschehen musste.
    »Ich werfe das Gerät auf den Boden, wenn du jetzt nicht mitgehst«, drohte sie.
    Stanek wandte sich ab. Enttäuscht. Ihn traf es nicht mehr, als das Mädchen ihm nachrief: »Hör immer schön auf Mutti. Dann bleibt deine Nase heil.«
    »Hättest Wolf auf ihn hetzen sollen«, sagte Stanek bitter.
    »Du bist ein Streithahn«, antwortete Kristina. Stanek zahlte von seinem letzten Zehnmarkschein die Rückfahrt. Er sprach kein Wort, obwohl er dicht neben Kristina saß.
    »Woher, Stanek, woher hattest du das viele Geld?«, fragte ihn Kristina.
    »Es war Zahltag. Ich hab’s verdient.«
    »So viel?«
    »Das meiste jedenfalls.«
    »Und das andere?«
    »Bist neugierig wie alle Weiber«, sagte Stanek. »Aber wenn du es genau wissen willst. Ich habe den Regulator an einen Arbeitskollegen verkauft. Er hat mir hundert Mark dafür gegeben. War doch gut, dass der damals nicht für ein paar Zlotys unter den Hammer gekommen ist.«
    »Die Uhr, die du von deiner Mutter bekommen hast?«
    »Was sollte ich mit der Uhr? Ich dachte, das Ding«, er hob den Transistor ein wenig in die Höhe, »ich dachte, das macht mehr Spaß. Und jetzt will es keiner hören. Das soll ein Mensch verstehen.«
    Sie stiegen aus. Achtlos klemmte Stanek das neue Gerät unter den Arm. Er hat Skoronow verkauft, dachte Kristina. Zum ersten Male wurde ihr bewusst, dass er ihr Leid tat. Nur Mitleid war das. Mehr nicht.

Stanek
    Ich hatte es mir in den Kopf gesetzt, das mit dem Transistor. 500,– DM oder mehr. Was soll’s? Ich spar’s schon. Tolles Gerät. In Polen hätte es sie umgehauen. Die dicke Basia wäre hin gewesen. Andrzej, der Dichter, eifersüchtig wäre er geworden. Grün vor Eifersucht. Dabei lässt mich die Basia kalt. Wird er nie kapieren, dass mich die 130 Pfund, gut verteilt, kalt lassen. Ist aber so. Wenn ich an die Kalbsaugen von Klara denke! Wär in den Tranistor sicher am liebsten reingekrochen. Ganz nah bei mir. Cholera! Was schert mich Klara. Sogar auf Leocardias Zigarette hätte ich gespuckt.
    Mir kommt’s nur auf Kristina an. Und die kapiert’s nicht. Ist freundlich. Ja, Teufel. Ich pfeife auf ihre

Weitere Kostenlose Bücher