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Kristina, vergiß nicht

Kristina, vergiß nicht

Titel: Kristina, vergiß nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Faehrmann
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Freundlichkeit. Jedenfalls pfeife ich drauf, wenn’s nur dabei bleibt.
    Dieser Tage habe ich so eine verrückte Fliege in unserer Wohnung in der Lützmannstraße gesehen. Flog immer wieder gegen die Fensterscheibe. Weronika hatte die Gardinen abgenommen. Ein paar Kreise, wum, Anflug, zack. Dann taumelte sie auf das Fensterbrett. So ist das mit mir. Zack, habe ich mir wieder den Schädel bei Kristina eingerannt.
    Alkohol ist gut bei Beulen. Kühlt. Hinterher fühlt man sich besser. Damals, nach dem Abend im Heimatverein. Was habe ich ‘ne blöde Angst ausgestanden. Der Altgeselle hat mir auf der Baustelle gesagt: »Sind alle zu knacken, die Weiber. Geh ran und reiß sie auf.« Die Arschgeige. Erst mal fünf Bier, bis ich mich überhaupt getraut hab. Dann die Pleite. Ich hätte mich in den Hintern treten können. Hab noch drei Bier draufgeschüttet. Ich sage ja: kühlt.
    Dann der Transistor. Gut, sie ist mitgegangen. Aber wieder nichts. Und fing so gut an. Wie ich die 385,– DM auf die Theke donnerte! Da hat sie geschaut, hat sie. Hätte sie wohl nicht für möglich gehalten.
    Aber das war auch alles. Jetzt steht das Ding da rum und erinnert mich an die drei Raten. Werde ich schon schaffen. Aber mir schwant was. Das mit dem Auto, was ich mir da ausgemalt habe. Ich halte den Schlag auf. »Bitte, steigen Sie ein, Fräulein Bienmann«, werde ich sagen. Toller Wagen. Sicher, sie wird einsteigen. Wird sich bedanken. Vielleicht wird sie sich freuen. Ganz bestimmt sogar. Wie damals, als ich ihr den Pfauenteller schenkte. Freuen ja. Aber dann aus. Das stimmt einfach nicht, was der Altgeselle sagt. »Alles ist zu kaufen«, sagt er. Ich kann nur lachen. Der kennt Kristina nicht.
    Ich bin ein Pechvogel. Weronika meint, es liegt an den Sternen. Schon als der Alte mich auf Stanilaus taufen ließ. Da fing das Elend an. Wo er doch immer schon in den Westen wollte! Als ich zwölf war, da starb meine Mutter. Ich habe eben Pech. Und der Alte, der kann mir gestohlen bleiben. Wenn ich seinen Blick sehe, dort an der Theke, in der Eckkneipe. Wenn ich dann rufe: »Eh, noch ein Helles!« Ja, Alkohol kühlt. Hätte er doch wissen müssen, der Alte, dass ich hier der Polensohn bin. Mit dem blöden Namen.
    Mit der Kristina, da wird mir schon noch was einfallen. Wenn die mal draufkommt, was für ein frommer Spinner der John eigentlich ist! Überhaupt die ganze eingebildete Clique in der Schule. Dann wird sie merken, was sie an Stanek hat. Was hat sie gesagt? »Ob Transistor oder Auto, bleibst doch derselbe Stanek.«

Schon als sie die Etagentür aufschloss, hörte sie die Stimmen. Großmutter hatte Besuch. Sie öffnete die Zimmertür.
    »Du, John?« Sie wurde unsicher, sah sich um, aber stellte fest, alles lag aufgeräumt an seinem Platz. Und das ist nicht leicht, wenn man nur ein Zimmer von zwei Meter siebzig mal drei Meter fünfzig hat.
    »Ist es dir nicht recht, dass ich hier aufkreuze?«, fragte er.
    »Doch. Aber wieso hast du nichts gesagt, heute Vormittag in der Schule?«
    »Weil ich da noch nicht wusste, dass ich meinen Zug verpassen würde.«
    »Du bist doch mit mir nach der fünften Stunde aus der Schule weggegangen.«
    »Ja. Vor dem Bahnhof habe ich zufällig Frau Bronski mit ihrem Sohn Waclaw getroffen. ›Wollten Sie nicht uns helfen bei den Schularbeiten, bitte schön, Herr John‹, hat der Bursche zu mir gesagt. Und das war eigentlich der letzte Anstoß.«
    »Wie soll ich das verstehen, John?«
    »Biete Herrn Latour doch erst mal eine Tasse Kaffee an, Kristina«, mahnte Großmutter.
    »Willst du?«
    »Ja, täte mir gut.«
    »Wir haben auch noch Kuchen vom Sonntag.«
    John nahm ein großes Stück. »Schmeckt prima. Und Hunger habe ich auch.«
    »Weiß denn Ihre Mutter, dass Sie später kommen?«, fragte Großmutter.
    »Ja, natürlich«, versicherte John. »Ich habe Vater im Krankenhaus angerufen.«
    »Aber nun erzähle endlich, was du vorhast«, forderte Kristina ihn auf.
    »Ich wollte es dir eigentlich erst sagen, wenn alles klar ist. Aber vielleicht ist es gut, wenn du jetzt schon erfährst, was wir planen. Wir, das sind vier Schüler aus unserer kleinen Stadt und ich.«
    »Na, wenn das nicht die siebenundzwanzigste Einladung zu einer Party wird«, lachte Kristina.
    »Falsch. Eine Einladung vielleicht. Aber ganz sicher nicht zu einer Party. Ich habe meinen Freunden von der Lützmannstraße erzählt und von all den Problemen, die euch drücken. Und auch davon, dass sich irgendjemand finden müsse, der den Kindern bei den

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