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Kristina, vergiß nicht

Kristina, vergiß nicht

Titel: Kristina, vergiß nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Faehrmann
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Einfamilienhaus. Da gibt es einen großen Kellerraum. Von außen her zugänglich, zwei kleine Fenster und Neonleuchten. Er will ihn euch zur Verfügung stellen, solange ihr keinen Unsinn macht.«
    »Klasse!«, jubelte Kristina.
    »Hat sich gelohnt, dass ich auch den Nachmittagszug verpasst habe?«, sagte John.
    »Schön, dann seht zu, dass ihr schnell zu Kindern kommt.«
    Kristina lachte.
    »Das Katholische schlägt doch immer wieder durch«, unkte John. »Möglichst schnell, möglichst viele Kinder.«
    »Hundesohn«, drohte der Kaplan. Er suchte in den Schluchten auf seinem Schreibtisch den Kalender und fand ihn schließlich. »Montag Konveniat«, murmelte er. »Dienstag Schule, Beerdigung, Mütter der Kommunionkinder, abends Brautleuteseminar. Geht nicht.«
    »Wir können Dienstag auch nicht. Schule musiziert.«
    »Ach richtig«, fiel dem Kaplan ein. »Habe ich ja auch eine Einladung. Aber ist schon gestrichen.« Er blätterte um. »Mittwochs um sechzehn Uhr habe ich Zeit. Wie wäre es? Ich gehe mit euch zu Robos. Aber dann müsst ihr selber weitersehen. Robos ist ein guter Mann. Er wird euch unter seine Fittiche nehmen.«
    Von der Telefonzelle auf dem Kirchplatz aus rief John noch einmal seinen Vater an und sagte ihm, dass er erst den Zug um zweiundzwanzig Uhr zehn nehmen könne.
    »Wirklich, Vater, ganz wichtig.« Sie schlenderten zur Lützmannstraße zurück.
    »Warum mag er wohl nicht beim Pfarrer angerufen haben? Die Pfarrei hat doch ein großes Jugendheim?«, fragte John.
    »Der Pfarrer ist schlecht auf die Lützmannstraße zu sprechen, sagen die Leute. Er hat sich noch nicht einmal sehen lassen, seit wir da wohnen.«
    Sie hatten noch Zeit genug im Übergangswohnheim nach Schülern zu suchen. Neun sagten fest zu und bedankten sich. Frau Mirkowicz aber war misstrauisch.
    »Ohne Geld?«, fragte die Frau und schüttelte den Kopf. »Hab ich noch nie gehört. Ohne Geld ist hier nichts zu machen. Geld steht hier ganz obenan.«
    John versicherte, es koste nichts.
    »Aber warum machen Sie das? Ist doch ein Trick dabei.«
    Kristina sagte: »Sprechen Sie mit Kaplan Schäpertönnes.«
    »Ich weiß nicht«, mischte sich auch Herr Mirkowicz ein. »Kommt mir komisch vor. Ich will euch erzählen, warum. Du stehst in Polen, sagen wir in Krakow, vor einem Zigarettenautomaten. Aber du hast kein Zlotystück. Geht einer vorbei. Du sagst: ›Ich will Zigaretten ziehen und hab kein kleines Geld.‹ Was wird er tun? Nun, er greift in die Tasche und schenkt dir, wenn er hat, den Zloty. Wird dir vielleicht noch eine Warnung zurufen und sagen: ›Rauch dich nicht kaputt, Brüderchen.‹ Was passiert hier, wenn du das machst? Kriegst du ein Markstück? Nein! Wird dir der Herr in Deutschland sagen: ›Mann, du bist wohl blau?‹ Siehst du, das ist der Unterschied.«
    »Oder denk, Paul, denk an deinen Vetter Karl, wie du mit ihm hier einen trinken gegangen bist.«
    »Ja«, sagte er. »Ist ein gutes Beispiel. Habe ich mit meinem Vetter Karl vor drei Jahren in der Wirtschaft in Krakow Bier getrunken. Auch zwei, auch fünf. Jedenfalls hat es Streit gegeben. Weißt du, warum?« Er machte eine kleine Pause und schaute die beiden an. »Natürlich wisst ihr nicht. Wir haben Streit gemacht, weil jeder wollte die Zeche bezahlen.«
    »Mein Mann ist stärker«, kicherte Frau Mirkowicz, »er hat alles bezahlt.«
    »Karl ist kurz darauf in den Westen gegangen. Vor vier Wochen hat er mich besucht. Fein in Schale. Hat gute Stelle hier. Wir sind in die Kneipe gegangen. Dort an der Ecke. Haben wir ein Bier getrunken, auch zwei, auch fünf. Schließlich ging es ans Zahlen. ›Weißt du noch, Karl, damals in Krakow‹, sagte ich zu ihm und hielt ihm die Faust vor das Auge. ›Das ist hier viel einfacher‹, hat er mir geantwortet und dem Wirt zugerufen: ›Zahlen bitte!‹ Der hat gefragt: ›Alles zusammen?‹ Was meinst du, was Karl gesagt hat? ›Nein‹, hat er gesagt. ›Jeder für sich!‹ Und das ist es, was mich krank macht. Jeder für sich. Und jetzt wisst ihr auch, warum wir nicht glauben können, das mit eurem Unterricht. So ganz ohne Geld.«
    Als Kristina und John die Familien mit Schulkindern besucht hatten, blieb noch viel Zeit bis zur Abfahrt des letzten Zuges. Großmutter hatte Besuch.
    »Das ist Herr Bronski«, sagte sie.
    »Wir kennen uns schon von Ostern«, antwortete John.
    »Ach ja.«
    »Herr Bronski erzählt gerade, dass er vom Lastenausgleich bald Geld bekommt«, sagte Großmutter.
    »Ja. Ich hab drüben meinen Hof und das Haus an

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