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Krock & Co.

Krock & Co.

Titel: Krock & Co. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Glauser
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Geld?
    »Und die anderen Briefe? Die Briefe, die Sie gestern vor einer Woche geschrieben haben?«
    – Sie hätten alle den gleichen Inhalt gehabt.
    »Und die Briefe, die Sie an den ermordeten Stieger geschrieben haben?«
    Schweigen. Studer konnte das Gesicht des Fräuleins nicht recht sehen, denn es war im Schatten. Die einzige Lampe, eine sehr helle Birne, die über der Werkbank hing, trug einen Schirm, der das Licht ausschließlich auf den Tisch warf und die Winkel des Raumes im Dunkel ließ. Es glänzten die Schraubenschlüssel, die Meißel, die Zangen… In der Ecke, auf dem Bett, aber war nur ein weißer, verschwimmender Fleck zu sehen: das Kleid der Jungfer.
    Sie schwieg lange, die Jungfer. Und endlich verstand Studer den Grund dieses Schweigens. Er schickte den Fritz Graf kurzerhand hinaus: er solle nach den Tieren schauen und dann schlafen gehen. »Wo… wo… wohl, Herr Waha… hachtme…i… ischter!« Die Türe ging auf – der Mond schüttete sein gefrorenes Licht über den Hof, und in seinem Lichte nahm das alte Eisen gespenstische Formen an. Die Faßreifen sahen aus wie die Räder eines Märchenwagens und die verwickelten Drähte wie riesige Käfer mit dünnen Beinen und riesigen Fühlern. Die Tür schloß sich – und da fühlte der Wachtmeister eine sanfte Berührung an seinem Knie. Er sah unter den Tisch, zwei Augen schillerten ihm entgegen, eine helle Pfote hob sich und legte sich ganz sanft auf seinen Schenkel. Dann war ein dumpfer Wirbel zu hören: das Bäärli wedelte mit dem Schweif, und der Schweif trommelte gegen eine leere Petrolkanne.
    »Ja, du bischt-en gueter Hund!« Der Wachtmeister streichelte sanft den spitzen Kopf. Ein Gedanke stieg in ihm auf; er wurde ihn nicht mehr los, und weil er diesen Gedanken nicht mehr los wurde, sagte er zu dem Hund: »Ja, Bäärli! Spöter!«
    Sie kam aus ihrer Ecke heraus, die Jungfer Loppacher… Sie legte, wie vor kurzer Zeit der Fritz Graf, die beiden Hände auf die Werkbank, stieß sich vom Boden ab und saß dann droben. Auch sie schlenkerte die Beine, keinen Meter von Studers Nase entfernt – und das war aufreizend. Denn eines mußte selbst der Neid dem Meitschi lassen: schöne Beine hatte es…
    Der Wachtmeister wiederholte seine Frage, blickte auf und der Martha Loppacher grad in die Augen. Die Jungfer senkte den Blick nicht.
    – Sie habe die Kopien der Briefe jeden zweiten Tag nach St. Gallen geschickt, erklärte sie leise. Denn, fuhr sie nach einer Pause fort, die Krankheit und der notwendige Erholungsaufenthalt seien ein Vorwand gewesen. In Wirklichkeit habe sich die Sache folgendermaßen zugetragen: Vor anderthalb Monaten etwa habe Herr Krock vom Rechsteiner einen Brief bekommen… Inhalt? Fast wortwörtlich wie der Inhalt der heutigen Briefe. Herr Krock habe darauf gemeint, daß hier etwas zu holen sei, und habe sie nach Schwarzenstein geschickt als Kundschafterin…
    Herr Krock habe nach dem ersten Brief Erkundigungen über das Hotel eingezogen. Sie lauteten nicht ungünstig. Keine Schulden. Die Zinsen für die erste Hypothek waren der Bank stets prompt bezahlt worden… Aber Joachim Krock erfuhr, daß der Rechsteiner noch an andere Geldleute in St. Gallen geschrieben und überall ein kleines Darlehen verlangt hatte. Wie in den Briefen da. Zweitausend, dreitausend, an zwei Stellen sogar nur tausend. ›Da stimmt etwas nicht!‹ habe Herr Krock gemeint. Und sie beauftragt, hier ein wenig herumzuspionieren. Damit es aber im Dorfe nicht auffalle, habe Herr Krock ihr aufgetragen, die Briefe an Stieger zu adressieren…
    Immer noch lag der warme Kopf des Hundes auf Studers Knie – und die Schnauze gab kleine Stöße, so, als wolle das Bäärli den großen, schweren Mann an etwas erinnern: »Vergiß meinen Herrn nicht!« Nein, er vergaß ihn so wenig, daß er, völlig unerwartet, seine Taktik änderte und im breitesten Bärndeutsch fragte: »Sägg, Meitschi, worum hescht du mit dem Grofe-n-Ernscht es G'schleipf aagfange?«
    Die Haare der Loppacher waren sicher gebleicht. Ein so zartes Blond konnte nicht natürlich sein. Und onduliert waren die Haare auch. Ganz deutlich aber war zu sehen, wie das Blut in die Wangen des Mädchens schoß – jaja, sie hatte sich heut' abend nicht gepudert – wie Angst die Augen füllte… Und Studer hätte drauf wetten können, daß die Zunge, die über die Lippen strich, trocken war – wie der Gaumen, wie der Schlund…
    Die Antwort kam nicht. Studer ertappte sich bei einem nichtsnutzigen Gedanken.– er dachte,

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