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Kronhardt

Titel: Kronhardt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralph Dohrmann
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waren die Mutter und Kronhardt aus dem Schneider.
    Haben sie das je verkraftet?
    Und Willem lachte.
    Warum lachst du so?
    Sie ist kalt und berechnend. Ich wollte nie bei ihr sein. Ich war meinem Vater so viel näher. Er sah Barbara an, lächelte. Wäre er nicht gestorben, säßen wir womöglich nicht hier.
    So waren sie beieinander. Spürten den Wein ihrer Eltern, und manchmal huschten Bilder von Zufall und Katastrophen hinter ihren Augen.
    Reproduktion: Bereits vorhandene Individuen erzeugen neue Individuen. Eheliche Pflichten und Beischlaf, und Knocken, Ficken, Vögeln – die Gesichter im Orgasmus verzerrt, und Millionen propellergetriebene Köpfe, die auf dem Sekret zuckten und kämpften, bis zuletzt einer in die Eizelle drang und mit ihr verschmolz. So suchte er in Gestalt und Zügen ihrer Eltern nach etwas Vertrautem; nach den Zeichen von Barbara. Doch von den Lichtbildern konnte er nicht darauf schließen, daß eine Reproduktion dieser beiden Menschen eine so schöne Frau hervorgebracht hatte.
    Er sah Barbara, das Kind, mit Fellmütze und Schlitten am weißen Weserdeich. Und im nächsten Sommer am Weserstrand, mit kariertem Schwimmrock, Arme und Beine voll Schlick, und im Hintergrund eine Wolkenbank. Und dann Barbara als Zwölfjährige, einmal mit der Mutter, einmal mit dem Vater, und Willem glaubte nun eine Ähnlichkeit mit der Mutter zu erkennen.
    Quatsch, meinte sie. Die Ähnlichkeit mit ihrem Vater sei doch nicht zu übersehen.
    Doch Willem konnte diesen Blick nicht entwickeln. Gestalt und Züge ihrer Eltern blieben ihm verschlossen, und wenn überhaupt, sah er zuletzt eine Ähnlichkeit im vollen Lachen der Mutter und, na ja, vielleicht auch im vollen Busen.
    Auf dem nächsten Bild war die pubertierende Barbara im sommerlichen Umland, und der Strohhut machte sie eher keck als lasziv. Doch zwei Bilder weiter, meinte er, schien sie wie ein Nymphchen, nachgerade rausgeschnitten aus Nabokovs Skandalwerk. Mit sechzehn durfte Barbara rauchen, und vor allem ihre selbstverständliche Haltung mit Zigarette ließ sie seltsam frühreif erscheinen. Mit siebzehn begleitete sie ihren Vater zu den Webereien in Irland, und ein Jahr später waren sie in Italien und Spanien.
    In Spanien lernte sie Inéz kennen. Inéz kam aus einer Weberei, die seit Generationen die kastilischen Dynastien belieferte, ein Mädchen in Barbaras Alter, schwarzäugig und mit langem, glänzendem Haar; sie war von graziler Gestalt und hatte eine Hautfarbe, die an die schroffen Sonnenflanken der Cordillera erinnerte. Wie bei Barbara waren auch bei ihr Merkmale von fraulicher Schönheit bereits ausgeprägt; jedoch auf ganz andere Art – eher still und verborgen, wie Willem meinte, eher wie ein seltener Augenblick, in dem man die ganze Schönheit einer Fledermaus einfängt oder einer Auster.
    Auf den gemeinsamen Bildern schienen die Mädchen von einer Kraft durchdrungen, vom raumgreifenden Drang nach Leben und ewig neuer Blüte. Doch neben dieser jugendlichen Lust meinte Willem noch etwas anderes zu verspüren; meinte hinter der unschuldigen Haut und den strahlenden Zahnreihen eine seltsame Gewißheit zu entdecken, etwas, was auf eine Zukunft ausgerichtet war und was er sich selber nie zugetraut hatte. Und noch der Glanz, der sich in den Augen der Mädchen verkapselt hielt, schien jederzeit bereit für diese Zukunft.
    Willem war beeindruckt von der seltsamen Kraft dieser Bilder; von dem Gebirgszug im Hintergrund, zeitlos und nackt unter der Sonne und gesprenkelt vom Schatten segelnder Wolken.
    Inéz also, sagte er.
    Sie ist vor der Franco-Diktatur geflüchtet und lebt jetzt in Hamburg.
    Ihr seht euch noch?
    Na klar. Du siehst deinen Schlosser doch auch noch.
    Warum Hamburg?
    Bis zum Tod meiner Eltern haben wir dort gemeinsam gelebt. Anderthalb Zimmer auf der Schanze und rundherum totale Flower-Power. Inéz besucht jetzt eine Fachschule für Modedesign, und ich bin hier.
    Willst du wieder zurück?
    Ich weiß nicht.
    Wir gehen zusammen. Ich schmeiße die Betriebswirtschaft und mache in Hamburg Naturwissenschaften.
    Ich weiß nicht. Das Haus meiner Eltern habe ich vermietet, die Bestände hier werde ich vielleicht verkaufen, vielleicht auch nicht. Mit dir ändert sich einiges, Willem. Zudem habe ich noch das Speicherhaus. Laß uns nichts überstürzen.
    Sie schenkte Wein nach, schlug ein Bein über und rauchte. Die Bilder lagen

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