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Kronhardt

Titel: Kronhardt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralph Dohrmann
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Büro. Vor allem die architektonische Strenge des Eisens brachte einen angenehmen Kontrast hervor zu dem feingemaserten und bernsteinfarben geölten Holz, und in den Kolonnaden erschienen Damenwäsche und Stoffballen diskret, obwohl die Fächer in Wirklichkeit Schätze enthielten.
    Zwei Sessel plus Sofa waren direkt aus den Räumen von Roderick&Son eingeschifft worden und wirkten auf Anhieb so eingefleischt, als wären Generationen von Focke-Kunden in dem dicken Leder versunken. Der Tresen stand noch immer da wie ein Markstein; dahinter das ehemalige Arbeitszimmer mit Registratur und Kanonenofen war zum offenen Atelier umgewandelt. Auch hier erschienen die Spuren aus der königlichen Tuchhändlerlinie wunderbar eingefaßt; Schneiderpuppen und Standspiegel waren aus Edelholz, offenbarten ihre handgemachten Finessen jedoch auf eine Art, die alle Ansprüche des Ateliers wie nebenbei markierte.
    Very well, sagte Roderick, als er zur Eröffnungsfeier dastand, und er griff Barbara mit einer Festigkeit, als wollte er seine Tränen abschnüren.
    Hector Luna organisierte mit kleiner Mannschaft das Büfett; zudem hatte er drei Exilkubaner besorgt, die mit Congas, Balafon und Sänger an der Gitarre den Lauf der Frauen in entspannte Schwingungen verwandelten. Der Mexikaner brachte hinter der Musik und in seiner reservierten Art Etikette, Charme und Rassigkeit vollendet in den Shaker. Er verwandelte Damenwäsche und Tuchwaren in sündhaft leckere Mischungen und bemaß dabei jeden Gast mit einer solchen Feinheit, daß Prozente und Geschmack jederzeit wohltemperierte Spritzigkeit verbreiteten. Plaudern und Lachen waren von einer Eleganz, die geschmeidig in die Rhythmen der Kapelle perlte, und der alte Roderick war der erste, der sich packen ließ. In seiner steifen Art forderte er Barbara auf, und in seiner steifen Art tanzte er. Doch gerade darin lag das Feuer, und die Kubaner erkannten das schnell und gaben so dezent Gas, daß der alte Knabe in eine Bewegung geriet, die er selbst nicht für möglich gehalten hatte. Bald lockerte er die Krawatte, bald zog er sie ab, und Barbara warf das Haar zurück; ihre Zahnreihen leuchteten, und dann ließen sich auch die Gäste packen. Die Tanzpartner wechselten beinah fließend, sogar Inéz vergaß ihre sonst eher kontrollierte Art, und überall sprudelte Leichtigkeit hervor.
    Auch Willem spürte die Rückkoppelungen aus kubanischer Musik und Hectors Shaker. Er plauderte, tanzte und war von einer Offenheit, die kaum noch an die Kellerbarzeiten von einst erinnerte. Und doch nahm er ein Anklingen an jene Zeiten wahr, als ihm plötzlich Karin unter den Gästen begegnete; nichtwahr, die Dressurreiterin und Olympionikin aus dem Rotenburgischen. Und so lachte Willem, trat mit einem gewissen Schwung in den Hüften auf Karin zu und gab seiner Stimmung noch extra Ausdruck, indem er einen Scherz über sich selber machte; über seine Ringe unter den Augen damals, über seinen Mangel an männlicher Urkraft, und dann wollte er wissen, ob es ihr gutgehe. Ob sie ihren Herrn Przewalski gefunden habe, was die Pferde machten und so weiter. Karin schien seine unbeschwerte Art zu gefallen, und so war jeder Anflug einer möglichen Verlegenheit auf Anhieb überbrückt. Sie ließen sich von Hector Luna etwas zubereiten, sie tanzten, und später nahm Willem ihr das Versprechen ab, bei Gelegenheit einmal in Barbaras Geschäft vorbeizuschauen.
    Barbara hatte Wert darauf gelegt, Menschen aus unterschiedlichen Wirkungsbereichen zusammenzubringen und als gemeinsame Überordnung die Leidenschaft für Exklusives zu präsentieren. Tatsächlich war ihr die Eröffnungsfeier durchweg gelungen, und so war sie nicht überrascht, als die Dressurreiterin Karin Lund schon wenige Tage später im Geschäft erschien.
    Sie kam nicht alleine und brachte noch drei Damen mit, unter denen vor allem Veronika von Zerbst Barbaras Aufmerksamkeit erregte. Frau von Zerbst war über vierzig, schön durch Geld und durch schöne Pferde zu Geld gekommen. Sie hatte weitverzweigte Verbindungen in die Welt der Hippologen, und so saßen die Damen in Rodericks gediegenem Leder. Barbara stellte Kaffee und Gebäck, Inéz in ihrer feinsinnigen Art taxierte die Körper, und es fiel den beiden von Anfang an nicht schwer, das Exklusive dieser Damen ganz selbstverständlich zu nehmen. Bald plauderten sie über Busen und Fett, über

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