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Kronhardt

Titel: Kronhardt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralph Dohrmann
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Vielleicht erst mal für ein Jahr, und dann sehen wir, was dabei herauskommt.
    Willem sah sie an, sagte nichts und küßte sie.

38
    Nichts gemahnte mehr an die bäuerliche Insel. Der Anschluß an Innenstadt und Autobahn war souverän umgesetzt worden; der Teich trockengelegt, versiegelt und in ein Überlaufbecken verwandelt, das durch Symmetrie und ordentlich gesetzte Zierpflanzen bestach. Die Frösche waren wie versprochen ausgeblieben, doch zum Frühling hin waren immer wieder Libellen aufgetaucht, als ob die Erinnerung an Obst- und Fettwiesen über Generationen fortbestehen könnte. Zuerst schien es, als wollte der Bausenator die Klagen aus dem Hause Kronhardt darüber nicht ernst nehmen, schließlich telefonierte er doch mit dem Gartenbauamt, und nach nur einem Einsatz der Männer gab er das Versprechen, auch die letzten Larven ausgemerzt zu haben.
    Die Alte steuerte den Mercedes durch die von Laternen und kleinlaubigen Hybriden geformte Allee. Trotz ihrer Nostalgie konnte sie tiefes Vertrauen schöpfen aus so einer menschgemachten Transformation, und auch das nachbarschaftliche Umfeld mit Tauwerken, Yachtfarben und gehobenem Automobilhandel sagte ihr zu.
    Der Neubau war konsequent durchdacht. Frachtlieferungen und Bewirtschaftung der Mitarbeiter durch einen Catering-Service fanden beinah unsichtbar im rückwärtigen Teil statt; von vorn erzeugten die modernen Materialien vor allem den Eindruck von Licht und Leichtigkeit, und ein vorgesetzter Eingangsbereich gab der auf Nutzen ausgelegten Struktur zugleich etwas Familiäres. Auch der vergleichsweise kleine Schriftzug paßte in dieses Konzept, und man sah den aufgestellten Buchstaben, die stets aus einer verborgenen Tiefe heraus beleuchtet wurden, die Handarbeit an.
    Der Parkplatz war mit weißem Kies eingefaßt. Der Mercedes hielt auf den schraffierten Teil zu, der für die Familie reserviert blieb. Barbara stieg zuerst aus. Sie rauchte, während die Alte Unterlagen vom Rücksitz zusammenkriegte.
    Sonne und Himmel blieben zurück hinter den milchigen Oberlichtern, dennoch konnte im Vorbau das Gefühl eines Wintergartens entstehen; auf einem Tisch mit handgewebter Decke stand eine große Vase mit Tulpen, und an den Wänden, geschmackvoll gerahmt, hing die Geschichte der Maschinenstickerei; unter den Photos, die vom Storchenschnabel bis zur lochbandgesteuerten Achtkopf reichten, waren auch Schnappschüsse aus der Kellerbar zu sehen, und dazu markierten Embleme und Banner sowohl technischen Fortschritt wie auch geschäftliche Verbundenheit.
    Hinter der feuerfesten Tür lag das Empfangszimmer. Das Rattern drang gedämpft durch die Fenster, und von einem Podest mit Sitzecke konnten die Kunden auf die Produktion schauen. Meistens war das Zimmer aber leer, und es gab eine Art Klingel, mit der Besucher grünes Blinklicht einschalten konnten. Dann kam der Stickmeister angehumpelt. Oder Rita Schrödinger erschien, eine noch junge Frau, die Hultschinek seit einiger Zeit zur Hand ging. Sie war aus vertrunkenem Elternhaus, und der Stickmeister hatte über Jahre beiläufige Bemerkungen bei den Kaninchenzüchtern aufgeschnappt; als er hörte, daß das Mädchen Arbeit suchte, hatte er mit seiner Chefin gesprochen. Wenn sie eine neue Familie braucht, hatte die Alte gesagt, soll sie kommen, und seitdem hatte Rita Schrödinger sich gewissermaßen hochgearbeitet. Sie war fleißig und hilfsbereit, und wo schnelle Auffassung ihr früher gegen die unberechenbaren Eltern geholfen hatte, erfaßte sie nun bei der Arbeit Details und Zusammenhänge. Die anderen Frauen mochten sie, und neben Hultschinek erschien sie manchmal wie eine Tochter. Sie lernte viel von ihm, und seit unlängst das programmierbare Modell aus Fernost eingetroffen war, das Unabhängigkeit von der Lochbandproduktion schaffte, war sie ihm sogar voraus.
    Rita Schrödinger saß am Schreibtisch, als Barbara und die Alte eintraten. Das Zimmer war gut geheizt, und sie trug nur einen ärmellosen Kittel. Die Alte sah den Büstenhalter unter dem Stoff und das Achselhaar. Kindchen, sagte sie nur, und die junge Frau errötete, zog die Strickjacke über und knöpfte sie zu.
    Ich sag dann mal Herrn Hultschinek Bescheid.
    Nicht doch, Kindchen. Setzen Sie sich wieder.
    Sie nahm zögernd Platz, ihr Blick war unsicher.
    Barbara brachte den Kessel auf die kleine Platte und füllte Kaffee in den Filter.
    Die Alte zog ihren

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