Kronhardt
sollte landen, auf der Anzeigetafel hatten die schwarzen Plättchen gerattert und die voraussichtliche Verspätung zuletzt mit fünfzig Minuten angegeben. Seitdem war mehr als eine Stunde vergangen, und er hatte zwei Whisky getrunken. Die Sonne war weiÃ, der Himmel spulte wie ein Endlosband, Windstärke 9 , meinte er, vielleicht auch mehr, und er erinnerte sich an die Beaufortskala, die er täglich in Duhnen gelesen hatte. Am Rande des Rollfelds sah er, wie die Gräser sich unter den Böen legten, und die StöÃe waren lauter als die anlandende Maschine. Ihre aufgerichtete Nase erschien plötzlich, zog den langen Leib bis zu den Tragflächen, und Willem konnte sehen, wie der Wind griff; wie die Maschine trudelte, während das weiÃe Sonnenlicht jetzt das Heck erfaÃte und von den klappenden Steuerrudern reflektierte. Einmal schien es, als wollte der Pilot wieder durchziehen, doch dann kippte die Maschine, die Hinterräder heulten gegen den Sturm, Gummi verrauchte, und zuletzt fiel die Nase abwärts, und die Vorderräder setzten auf.
Ein alter Mann, der neben Willem am Geländer stand, brüllte. Er trug seinen Hut fest auf den Schädel gezogen, dann schüttelte er überschwenglich Willems Hände. Ein Husarenstück, brüllte er.
Willem war überrascht, wie gelassen die Frauen schienen. Sie seien bei frühlingshaften Temperaturen gestartet und hätten vom Balkan bis an die Adria Sonne gehabt. Erst als westwärts die Alpen aufgestiegen seien, wäre die Maschine zwei-, dreimal abgesackt. Danach wären die Signale für Rauchverbot und Sicherheitsgurt gegeben worden, aber an Bord hätten sie nicht das Gefühl gehabt, in Gefahr zu sein.
Hector Luna hatte Artischockenherzen auf der Tafel stehen und Fisch à la Veracruzana, und als sie abends in der Nische saÃen, erschien die Geschäftsreise als etwas Wunderbares. Als wären ihre Absichten von Anfang an so offensichtlich gewesen, daà sie weitere Entwicklungen mühelos lenkten. Als könnten die Frauen die Dinge geschehen machen, als wäre Unvorhersehbarkeit nichts und von Mafia oder diktatorischen Netzwerken keine Spur. Und noch wenn die Frauen von fahrenden Kesselflickern erzählten, von da Vincis Abendmahl oder der Akropolis, flimmerte hinter diesen Bildern das Zusammenwirken ihrer Kräfte, und nicht mal so ein plötzlicher Sturm schien ihren gemeinsamen Schwung durcheinanderzubringen.
Willem trank einen ausgezeichneten Ribera del Duero zum Essen, und aus ihren Worten heraus sah er die Dinge klar vor seinen Augen. In Mailand den Tuchhändler Visconti; ein eleganter Herr mit parfümiertem Schnauzer, der hinter seiner feisten Art beinah hündische Reflexe gegenüber Barbara entwickelte, während Inéz daneben saÃ, ein schönes Gesicht machte und den Italiener mit ihren Fledermaussinnen sezierte. So sah Willem die Frauen vor sich; Maniküre, Ausschnitt, Parfüm; die ganze Raffinesse, die beide in gemeinsamer Wirkung vollenden konnten. Barbara mit offenem Wesen und groÃen, weichen Lippen, hinter denen die Zahnreihen hervorkamen; die stille Spanierin auf exotische Art anziehend, und er meinte, daà die beiden ihre unterschiedlichen Fähigkeiten koppeln konnten. Daà noch Geistes- und Sinnerfahrungen sich so auf ein gemeinsames Ziel verstärkten.
Auf der Messe in Athen hatten sie dann einen unglaublichen Mann aus Fernost kennengelernt. Ein Pionier der mikrochipgesteuerten Maschinentechnik, und Willem konnte sehen, wie plötzlich die Spanierin in den Vordergrund trat. Wie sie mit ihren ausgeprägten Sinnen Fremdheit und Tiefe dieses Mannes auslotete und bald jedem Lächeln und jeder Verbeugung auf eine so einnehmende Art zuvorkam, daà er Vertrauen zu ihr entwickelte. Und es paÃte in Willems Vorstellung, daà dieser Mann aus seinem pionierhaften Mikrokosmos heraus wenig welterfahren war; daà sein Denken und sein Wesen in sich endlos verfeinernden Quanten rotierten und er somit für die grobstofflichen Anforderungen einen Assistenten benötigte â ein Mensch, meinte Willem, dem Inéz sicher mit einer Verbeugung und einem Lächeln entgegengetreten sei, bevor sie Barbara herangewinkt hätte, damit die beiden sich über Fakten und Zahlen austauschen konnten.
Nach der Messe hatten Barbara und Inéz die Akropolis besucht, und auch die Vorstellungen, die Willem hierzu entwickelte, offenbarten ihm die erstaunlichen
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