Kronhardt
lachen. Der Mensch ohne Arg kroch mit erhobenen Händen aus den Trümmern. Das monströse Werk weggesprengt, die Wirklichkeit Brot und Gnade, und so rià er sich das Kreuz von der Brust. Dann sagen sie: Wir wissen nicht, wie viele einsame SchiÃhasen es damals gab. Aber daà Ihr Stiefvater sich gestellt hat, beeindruckt uns nicht die Bohne. Und Sie wissen selber, daà minderbelastet im Grunde eine Farce war. Daà sich dieser Teil deutscher Geschichte sogar wiederholt hat, so daà dieses Land weiterhin durchsetzt bleibt mit diktatorischen Verbrechern.
Willem nickt.
Die Ramows sagen: Setzen Sie Fahrenheits Maà an.
Wie gesagt, Fahrenheits Maà ist nicht einfach, wenn man plötzlich selber involviert ist.
Wir haben damit kein Problem.
Sicher, sagt Willem.
Prima. Also noch mal zu Ihrer Mutter: Sie war in der Partei, marschierte mit, und plötzlich dieser Sinneswandel.
Ich weiÃ. Und ich habe keine Ahnung, wie es dazu kam.
Vielleicht haben Sie die Beziehung Ihrer Eltern bislang unterschätzt?
Im Grunde war meine Mutter nicht der Typ fürs Emigrieren. Nicht aus Ãberzeugung, nicht aus Liebe.
Wenn jemand aus der Heimat flieht, hat er gewichtige Motive.
Das vermute ich auch. Darüber hinaus weià ich nichts.
Vielleicht war es ja Kalkül.
Vielleicht auch nicht, und wir verplempern hier einfach unsere Zeit, wenn wir die Wissenslücken wahllos füllen.
Wenn jemand aus der Heimat flieht, müssen die Zurückgebliebenen oft genug mit VergeltungsmaÃnahmen rechnen. War die Familie Ihrer Mutter eingeweiht?
Ich glaube schon.
Und Ihr Stiefvater?
Wohl auch.
Und Sie glauben nicht, daà wir es mit einem Plan zu tun haben? Die organisierte Heirat zweier gegensätzlicher Menschen, ihre Flucht in die Schweiz. Robert, der dem Geschäft derweil die Stange hält, und dann Richards Tod.
Nein. Das glaube ich nicht.
Noch ist ja auch nichts bewiesen, und die Detektive grinsen. Dann sagen sie: Wie sicher ist denn die Position Ihres Vaters in dieser Geschichte?
Er war Zivilist und von Anfang an gegen die Nazis.
Das muà ihn nicht gehindert haben, bei irgendwelchen Plänen mitzumachen.
Bei aller Fähigkeit zum Spott war er friedlich und sehr moralisch. Die menschgemachte Welt betrachtete er als grandiosen Irrtum, und er setzte seine Denkkraft dagegen. Aber ich glaube, daà er die Kraft des Herzens für das höchste Prinzip hielt, doch mit beidem konnte er im Hitlerfaschismus natürlich nicht sicher sein.
43, sagen die Detektive. Für einen, der von Anfang an dagegen war, eine ziemlich späte Emigration.
Er war bei der Zeitung. Am Ende Propagandaphotograph für eine heile Welt, während rings alles in die Brüche ging. Wie mein Vater die Wirklichkeit ertragen konnte, ist mir schleierhaft â irgendwie muÃte man sich wohl verhalten, und ich vermute, daà er sich mehr und mehr nach innen hin verhielt. Geist und Herz zu einer raumfüllenden Materie machte.
Dennoch könnte er in irgendwelche Pläne verstrickt gewesen sein. Fingierte Hochzeit, fingierte Flucht, was auch immer. Denn bei allem Geist und Herz muÃte man damals wohl auch irgendwie zusehen, seine Haut zu retten.
Könnte er.
Die Ramows sehen Willem an. Ihr Vater war ganz schön anders, oder.
Willem zuckt mit den Schultern.
Und Ihre Mutter und Kronhardt waren glashart vom selben Schlag, oder.
Ich habe keine Ahnung, warum die beiden nicht am Anfang schon geheiratet haben. Warum zuerst mein Vater.
Vielleicht ist es gerade die Antwort, die Sie Ihrer Mutter nicht zutrauen. Liebe oder mindestens Herz genug, Ihren Vater und Nazispötter zu retten. Es wäre doch denkbar, daà die Reichssicherheit ihn schon fest im Visier hatte.
Wenn es so gewesen wäre, hätte mein Vater mir davon erzählt. Da bin ich mir sicher.
Sie waren ein Kind.
Und seitdem gibt es diese Fragen für mich.
Aha. Dann glauben Sie also, daà Ihre Eltern sich nicht liebten.
Willem hebt die Hände. Vielleicht hat der Wahnsinn damals eine Liebe möglich gemacht, von der ich nichts weiÃ. In meiner Erinnerung ist aber bis heute nichts, was mir wie Liebe erscheint.
Man muà Ihren Eltern jedoch unterstellen, daà da was gelaufen ist.
Und Willem lacht. Was glauben Sie, wie ich mir früher Sex vorstellte. Das meiste wuÃte ich damals aus Insektenbüchern, und so dachte ich mir die Männer mit dolchartigen Organen, die sie in die Herzen der Frauen bohrten. Auf meinen Vater
Weitere Kostenlose Bücher