Kronhardt
ihn nicht, ob ein Angeklagter während der Nazizeit Täter oder Opfer gewesen war, und so installierte er eine zeitliche Zäsur und betrachtete die Menschen, die vor ihm saÃen, mit den Augen der jungen Bundesrepublik. Er legte das gleiche Maà an für Biedermänner, Toilettenwächter oder arische Bonzen und galt durch seine gesamte Amtszeit hindurch als eine Art demokratisches Urprinzip.
So also, sagen die Detektive. Fahrenheit ist steinalt, und wir haben ihn in einer Seniorenresidenz aufgetrieben. GroÃzügiges Apartment mit Sonnenterrasse und Blick über die Weser. Sein Leib welkt dahin, doch sein Langzeitgedächtnis funktioniert noch, und obwohl wir so was nicht gerne tun, werfen wir sein Wort mit in die Schale. Wir glauben ihm, daà er sich im Amt nie bestechen lieÃ. Wir glauben ihm, daà er den Fall Kronhardt damals mit der gleichen Unbefangenheit beurteilte wie jeden anderen Fall und daà er über den Verdacht des Jungarztes Friedhelm Lampe nicht mehr wuÃte, als daà die Embolie anscheinend nur sekundäres Merkmal gewesen war und keine Ursache. Fahrenheit ist kein Mediziner, und auch den ins Spiel gebrachten Artikel aus der Fachzeitschrift konnte er nur als Laie beurteilen. Also hat er die Fakten um den Tod Ihres Vaters, inklusive des Fachartikels, zu einer unabhängigen Beurteilung weitergeleitet, und nachdem beide Gutachter zum gleichen Schluà gekommen waren, hat Fahrenheit die Zwangsobduktion abgeblasen. Wir haben versucht, diese Sachverständigen von damals aufzutreiben, beide Koryphäen, beide verstorben.
Die Detektive lehnen sich zurück, lassen die Sonne auf ihr Gesicht.
AbschlieÃend glauben wir also, daà der Richter kein Stück in die Angelegenheit verwickelt ist. Es sei denn, Sie legen es so aus, daà er zwangsläufig verwickelt ist, weil es so oder so seine Entscheidung war, die Auswirkungen auf Ihr weiteres Leben gehabt hat. Denn hätte Fahrenheit damals anders entschieden, wären wir womöglich nicht hier. Aber das hatten wir ja schon mal, von wegen der Affen.
Es ist melodisch und sanft, und nach dem Klopfen wartet sie, bevor sie ihren Kopf durch die Tür steckt. Ihr Blick erfaÃt Sofa und Schreibtisch, dann sieht sie Willem am Fenster. Ohne sich umzudrehen, sagt er: Kommen Sie rein, Katja.
Sie lächelt, bleibt aber in der Tür. Besuch, sagt sie.
Willem dreht sich um. Ich erwarte doch niemanden?
Nicht soweit ich weiÃ. Die beiden Herren klingen allerdings sehr überzeugend.
Was für Herren?
Sehr elegant, sehr höflich. Sie blickt auf eine Karte und sagt: Marow & Neff, Institut für angewandte Anthropologie.
Und Willem lacht. Stehen die beiden schon hinter Ihnen?
Sie sind noch unten.
Wo?
Ich weià nicht. Eben haben sie mit Ihrer Frau geplaudert. Aber Ihr Stiefvater kam auch dazu.
Er macht ein resigniertes Gesicht, dann geht er zur Tür. Nimmt die Frau bei der Hand und zieht sie in den Spitzgiebel. Sie können die beiden gleich hochschicken.
Ist es was Schlimmes?
Das sind die Detektive, von denen ich Ihnen erzählt habe.
Als Anthropologen verkleidet?
Tja. Sie gehen recht ungewöhnliche Wege.
Sie vertrauen den beiden aber.
Ja. Dann legt er seine Hände auf ihre Schultern. Geht es Ihrem Mann besser, Katja?
Sie lächelt. Und dann rollen zwei Tränen.
Er hält sie fest, bis ihr Atem wieder ruhiger wird.
Die Ramows tragen Anzüge wie aus einer anderen Zeit. Sie haben Hüte dabei, einer hat eine Hornbrille auf, und das Leder ihrer Taschen ist abgewetzt.
Sie machen es sich auf dem Sofa bequem.
Kaffee? sagt Willem. Zucker, Milch?
Auch kein schlechtes Büro, sagen die Detektive.
Schnäpschen dazu?
Danke.
Dann setzt Willem sich in den Sessel.
Den Richter haben wir also aufgestöbert. Er scheint weder in den Tod Ihres Vaters verwickelt noch in eine mögliche Verschleierung der Todesursache.
Wer uns entscheidend weiterhelfen könnte, ist nach wie vor Friedhelm Lampe. Wir selber waren zweimal in der Wesermarsch, ohne eine Spur zu finden, die uns zu ihm geführt hätte. Die Leute da drüben sind wortkarg und Fremden gegenüber skeptisch. Dennoch haben wir herausgebracht, daà Lampe während seiner Sauftouren oft wochenlang verschwunden bleibt. Wo er sich allerdings rumtreibt, konnte uns niemand sagen. Auch der Polizeiposten dort konnte uns nicht helfen, doch der Mann hat zugesagt, uns zu kontaktieren, sobald Lampe wieder auftaucht.
Die Detektive heben
Weitere Kostenlose Bücher