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Kronhardt

Titel: Kronhardt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralph Dohrmann
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uns fragen, ob Burke sich an Sie gewendet hat, weil er sich von Ihnen am meisten verspricht.
    Na ja. Der Tote war mein Vater.
    Und der Bruder Ihres Stiefvaters. Theoretisch sollten Sie doch beide Interesse an Burkes Informationen haben. Warum ist er nicht zu ihm gegangen? Wir an Burkes Stelle hätten versucht, den Senior anzuzapfen. Bei ihm laufen Geschäft und Geschichte zusammen, er weiß wesentlich mehr über die Sache als Sie und sollte ein starkes Interesse an der Wahrheit haben. Oder gerade daran, daß die Wahrheit verborgen bleibt. Wir hätten auf jeden Fall versucht, Ihren Stiefvater anzuzapfen.
    Willem sitzt allein in der Miniküche. Er hält einen Becher mit heißem Kakao in den Händen; im Radio hat er eine andere Frequenz eingestellt und hört ein Stück von Isaac Albéniz. Der Becher gehört zu einer Serie, die mit einem Preis für ihr Design ausgezeichnet wurde. Auf den ersten Blick wirken sie uniform, tatsächlich aber hat jedes Stück individuell gestaltete Abweichungen, und Barbara hat viel Geld für das Set bezahlt. Willem sitzt, hört kleines Orchester und Gitarre aus dem Radio, starrt. Als Barbara erscheint, spürt er sofort, daß sie einen guten Tag erwischt hat.
    Ã„rgerst du dich wieder über die Becher?
    Ach was.
    Was ist es dann?
    Nichts weiter.
    Dann ist ja gut, und Barbara läßt die Lade mit dem Obst rausfahren. Mit wenigen Griffen hat sie Messer und Presse parat und bearbeitet Pampelmusen. Dann übertönt der elektrische Motor die Spanische Suite.
    Als sie sich zu ihm setzt, sagt er: Es ist seltsam. Manchmal kann der Körper erscheinen wie die ganze Erde. Und der Geist geht auf im Raum. Doch plötzlich ist nichts mehr davon da. Erde und Raum wie abgeschnitten, man ist erfaßt von der menschlichen Stampede, und in ihrem Wahnsinn zertrampeln sie einem alles.
    Ist es dein Weltschmerz? Oder haben die Detektive etwas Neues hervorgebracht?
    Ich weiß es selber nicht. Wenn es Weltschmerz ist, dann ist er verschmiert. Dieser Burke ist nicht aufzutreiben und ebensowenig Friedhelm Lampe. Das einzig greifbare Glied in die Vergangenheit ist Kronhardt, und die Detektive bringen ständig Indizien hervor, die die Alten zum Mörder meines Vaters machen.
    Barbara sieht ihn an.
    Er sagt: Natürlich glaube ich auch jetzt nicht daran.
    Meinst du, die Detektive verstehen ihr Handwerk?
    Den Eindruck habe ich schon.
    Sie sind eher unkonventionell.
    Das war mein Vater auch.
    Ja. Und sie gibt ihm einen Kuß.
    Willem sagt: Ich bin glücklich mit dir.
    Ich auch mit dir. Erst recht, weil du so unkonventionell bist.
    Was hast du für einen Eindruck von den Ramows?
    Sie scheinen mir sympathisch. Mit einer Menge Humor.
    Ja.
    Warum verkleiden sie sich?
    Wahrscheinlich gehen sie davon aus, daß alte Fälle jederzeit wieder auflodern können. Daß Unheil aus der Vergangenheit mühelos bis in die Gegenwart springen kann.
    Barbara lacht.
    Warum lachst du?
    So sehen diese Ramows aus. Als ob sie selber mühelos durch alle Milieus und alle Zeiten springen könnten.

8
    Die weihnachtliche Verdichtung ist aus den Passagen, und die Installationen in den Schaufenstern markieren bereits Ostern. Das Phänomen Jesus umgewandelt, und aus den Flachbildschirmen flimmern neues Glück und der ewige Frieden einer freien Marktwirtschaft.
    Die Schockbilder des Arabischen Frühlings haben sich bereits abgenutzt, obwohl noch kein Ende dort abzusehen ist und ein Land nach dem anderen ergriffen zu werden scheint. Doch vielleicht ist es falsch, in der allgemeinen Gier nach Neuigkeiten immer nur Direktübertragungen von den Schlachtfeldern der Welt zu bringen, und so flimmern von den Flachbildschirmen Welten aus Glück und Frieden. Und vielleicht braucht jeder Schlachtenzyklus auch ein regelmäßiges Gegengeschehen, und deshalb markieren nun Küken und Hasen in den Schaufenstern schon das Osterfest.
    Willem zieht gegen diese Bilder und gegen den Strom der Kaufenden, als ihm ein Mann auffällt. Der Mann steht auf einem kleinen Podest, still und mit einem demütigen Lächeln, als hätte er alle weltliche Verankerung in sich aufgelöst; als wäre alles Ichgefühl bereits hinübergestiegen in eine Vollkommenheit, die nichts mehr zu tun hat mit den Schlachtfeldern Arabiens oder sonstwo, mit freier Marktwirtschaft und moderner Jesusinterpretation. Und wie zum Bekenntnis seiner Auflösung hält der Mann eine Broschüre vor der

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