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Kronhardt

Titel: Kronhardt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralph Dohrmann
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entblößten, die sich selbst freiheitlich und demokratisch gaben.
    Natürlich kann man das System verachten, sagen die Detektive. Aber erst einmal muß man überleben.
    Da haben Sie wohl recht. Und nach einer Zeit sagt Willem: Bei aller Fähigkeit zur Utopie brachten sie auch den notwendigen Realismus auf. Die perfide Perfektion des Systems mußte Gegner und Verfechter zuletzt gleichschalten; Geld blieb unabdingbar, und sie beschafften es mit Theater, Ausstellungen und vor allem, weil sie Kontakte hatten nach Amerika. Reiche Emigranten, die Kunst sammelten und die die grandiosen Schlachtfeste und kannibalischen Heldentaten der Kapitalfaschisten für die Nachwelt konservierten; die gepanzerten Herzen und vernagelten Geister.
    Die Detektive lachen.
    Dann sagt Willem: Heute würde ich sagen, daß diese Menschen zutiefst sensibel waren. Daß sie die Fähigkeit hatten, selbstgenügsam und eigenverantwortlich zu sein, und zugleich beseelt waren von einer Utopie; einem Drang nach Freiheit, der jedes Staatenmodell und alle im Kapital wurzelnden Machtstrukturen bedrohen mußte. Und auch der Bürger, der im System so behütet war, daß seine Freiheit nur noch geldlich zu steigern war, spürte diese Bedrohung.
    Ich glaube, daß mein Vater und die anderen ihren grandiosen Spott zuletzt aus Selbstschutz entwickelten. Weil es nach außen hin keine Möglichkeit für ihre Welt gab; weil der Freiheitsbegriff der anderen ihnen viel zu gering war. Und ich glaube auch, daß dieser Spott zu einer Überlebensstrategie wurde; eine menschliche Art, so wie andere fressen, denunzieren oder Kunst sammeln. Eine Art gegen wunde Seelen und wunde Herzen; das Feuer ewig brennender Utopien.
    Hatte die Gruppe einen Namen?
    Namen sind Kategorien.
    Irgend jemand aus der Gruppe, den Sie mit Namen erinnern?
    Sie hießen alle irgendwie. Peter-Paul, Max oder Zenon.
    Waren keine Frauen dabei?
    Doch. Sie kamen, gingen, kamen wieder. Ich habe wenig Erinnerung an sie.
    Und Ihr Vater?
    Wenn da etwas lief, habe ich es nicht mitbekommen.
    Konnte jemand aus der Gruppe Vorteile aus dem Tod Ihres Vaters schlagen?
    Ach was.
    Was ist mit seinen Bildern geschehen?
    Ich glaube, die meisten hatte er zu Hause, und meine Mutter hat sie vernichtet. Einzig ein Familienphoto war geblieben, aber auch das nahm meine Mutter mir weg. Nach ihrem Tod habe ich es wiedergefunden.
    Glauben Sie, daß auch Ihre Mutter sich in ihrem System bedroht fühlte?
    Das Gefühl habe ich nie gehabt.
    Gab es denn tiefere Gründe dafür, daß sie so radikal alle Erinnerung an diesen Mann auslöschte?
    Ich glaube schon. Weiß aber nichts.
    War Ihr Vater glücklich?
    Damals hätte ich sofort ja gesagt. Heute glaube ich, daß die meisten Mitmenschen ihm das Leben schwergemacht haben; daß ihre Nähe und die Wirkungen ihres Daseins ihm bis gegen die Haut schlugen. Und daß er den Raum dahinter mit etwas Eigenem ausfüllte – eine Blase gewissermaßen, und womöglich war es ihm außerhalb davon schwer, glücklich zu sein. Doch genauso kann es sein, daß er in seiner Blase ständig durch ihre feindliche Welt schwebte.
    Drogen waren aber nicht im Spiel?
    Quatsch. Sein Innenleben war Droge genug.
    Zog Ihre Mutter Vorteile aus seinem Tod?
    Willem hebt die Schultern. Er weiß es nicht.
    Aber sie plante, aus Zürich zurück nach Bremen zu gehen?
    Damit gingen die beiden eher pragmatisch um.
    Das sagen Sie so.
    Na schön. Manchmal gabs deswegen Streit.
    Die Ramows lachen. Ein Kerl wie Ihr Vater gibt seinen Sohnemann doch nicht einfach auf die andere Seite, oder. Zu den Helden, die dem Kleinen ihren Kapitalfaschismus ins Hirn brennen; zu den herzfressenden Kannibalen.
    Willem sagt nichts.
    Man könnte also sagen, daß sich mit dem Tod Ihres Vaters die Lage für Ihre Mutter mindestens dahingehend verbesserte, nicht mehr um Ihre Erziehung streiten zu müssen.
    Das könnte man wohl. Aber ohne damit ein Motiv zu unterstellen.
    Ach was. Daß Ihre Mutter Dreck aus der Nazizeit am Stecken hatte und daß Ihr Vater sein Wissen darum für Ihren Verbleib in Zürich einsetzen wollte, fällt uns erst gar nicht ein. Und dann: Wer war denn auf der Beerdigung?
    Nur wir drei.
    Keine Künstlerfreunde, von Wrangels, irgendwelche Fremden?
    Ein Urnenträger und ein freier Redner, der einen Text meiner Mutter ablas.
    Tja. Und wie sind die Besitzverhältnisse heute?
    Die Stickerei?
    Ja.
    Warum?
    Weil wir

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