Kronhardt
Kojen legen, laschen sie sich fest.
Nach anderthalb Tagen reiÃt der Himmel auf, und die See läuft sich aus. Sie reiten die Berge ab, sanfte Riesen, in denen aller Horizont zerschwingt; aus dem Schornstein steigt der Rauch und liegt wie ein Band hinter dem Dampfer. Morgens stehen die Männer auf der Back, mittags schaukeln sie in der Hängematte. Zum Abend hat der Koch Aal gebraten.
Am nächsten Tag schiebt sich der Bug durch leuchtendgrünes Wasser; die Wellen plätschern ein Schuppenmuster, und der Kapitän legt den Telegraphen um. Der Maschinenmeister bestätigt den Befehl, eine Glocke schlägt an, und bald erlahmt der Schlag der Kolben; die vertrauten Schwingungen ziehen aus dem Schiffseisen, einmal noch zittert der Dampfer, dann wird er von seltsamer Stille erfaÃt.
Kleine Wellen klatschen gegen die AuÃenwand, manchmal knarzt der Rumpf, und die Männer sehen, wie sie nach Lee abdrehen. Als sie Anker geworfen haben, steht die Sonne im Zenit. Sie lassen eine Jakobsleiter ab, dann springen sie ins Wasser. In der warmen Strömung sehen sie den pulsierenden Schirm einer Meduse und gegen den Meeresboden, wie gemasert in den gebrochenen Lichtflecken, einen Rochen.
Nachmittags dösen sie unterm Sonnensegel, und mit der Abendröte nehmen sie wieder Fahrt auf; der Bug schneidet in die einfallenden Farben, und vom Horizont schwellen Wolken, die bald in leuchtenden Fäden über dem Dampfer zerlaufen. Bis ins Mondlicht hinein werden sie von Tümmlern begleitet; die Nacht ist windstill und warm, der Blick in die tiefe Zeit versilbert.
Noch vor der Dämmerung ist Land angerückt, doch als die Männer frühstücken, erscheint es achtern nur noch als Glimmer. Zur ersten Koffie-Time driftet aus Nordwest eine weitere Scholle an, und im Fernglas meint Willem die kreidige Kliffküste zu erkennen mit der Felsenlinie der Seven Sisters. Wenig später hat er die nächste Scholle im Doppelkreis, einen Buntsteinsockel mit dem steilen Brandungspfeiler Helgolands, und der Kapitän stellt über dem Radarschirm MutmaÃungen zu Entfernung und Geschwindigkeiten der Schollen an. Der andere hantiert mit Zirkel und Lineal und kommt zu dem SchluÃ, daà die Schollen in keiner Karte verzeichnet sind.
Zum Nachmittag machen die Männer erneut einen Glimmer aus, der bald die ganze Kimm erfaÃt. Noch vorm Sonnenuntergang hat sich ihnen ein groÃer Sockel entgegengeschoben, und sie zweifeln nicht, daà sie auf Festland gestoÃen sind.
5
Die Luft ist klebrig. Wo man hinspuckt, meinen die Männer, keimt es. Sie marschieren auf einem Pfad, rings kriechen Bärlappstengel, gelegentlich rauschen Farn- oder Palmenwedel. Landeinwärts, wie gescheckte Säulen, markieren Stämme einen Waldsaum; die Kronen sind gefächert, und die Blätter leuchten in Herbstfarben und sprieÃen in frischem Grün zugleich. Manchmal steigen fremde Rufe auf, die sich in den Wald hinein vertiefen.
Als der Pfad sich gabelt, bleiben sie in Küstennähe. Zweimal meinen sie, die Brandung zu hören, doch vor allem der Farn ist zu hoch, um die See auszumachen. Sie schwitzen, ihre Schatten sind kaum zu sehen. Erst zum Nachmittag ziehen Wolken auf, und dann sind die Männer überrascht, wie schnell der Regen kommt. Er setzt ein mit voller Kraft, rings die groÃen Blätter wogen, und bald schneiden Rinnsale in die Erde. So marschieren sie, Schlamm und Blasen spritzen auf, und am Sockel einer überwucherten Pyramide entdecken sie einen Leguan.
Zuerst sind es Fetzen, die sie durch das Trommeln hören, zerschwingende Tonfolgen, doch bald sind sie sicher und halten auf die Musik zu. Dann können sie den Mambo heraushören, und dann sehen sie abseits, auf einem kleinen Hügel, ein paar Hütten stehen. Die Musik kommt aus einer Trinkhalle, durch die Ritzen stoÃen rote Lichtbündel.
Als sie die Schwingtüren aufstoÃen, blicken zwei Frauen von einem Blechtisch auf. Sie sagen nichts, und dann tritt ein Mann in Uniform aus dem Hintergrund und verbeugt sich. Mit Ihrer Erlaubnis, meine Herren. Aber Sie haben wohl nichts von unserer Hauptstadt gehört?
Der Mann wirkt verlottert, Epauletten und Embleme scheinen die Uniform zusammenzuhalten. Das letzte, worüber im Radio berichtet wurde, war dieser Georgische Schädel, und mitten in der Sendung zerrauschten die Worte. Seitdem gibt es kein Radio mehr, keine Fernsehbilder, und unser Land ist aus den Fugen. Der Mann
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