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Kronhardt

Titel: Kronhardt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralph Dohrmann
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dunkler Typ war; rassig und eher international. Kronhardt betrachtete die seltsam unverhüllten Reize skeptisch, während rings aus der Menge viele mit offenen Mäulern starrten. Die Frau auf dem Podest saß in einem großen Sessel und zeigte ihre Zähne. Ihre langen Beine glänzten in dem Nylon, und alle konnten sehen, was Schönheit war. Hinter der Königin öffnete sich eine weite Ebene mit Synthetics, Pelz und Kroko.
    In Wechselwirkung mit der Mutter brachte der Leopard eine unglaubliche Wirkung hervor. Ihre strengen Kräfte, die stets auf Kalkulation und Plan ausgerichtet waren, schmolzen im Spiegelbild dahin, und was ihre Augen sahen, machte sie unglaublich schwach; ihre nordische Erscheinung eine luxuriös gezügelte Wildheit, eine nie für möglich gehaltene Rassigkeit, die bald in reinster Form aus ihr selbst zu dringen schien, um den Mantel vollends zu veredeln.
    So stand sie noch und noch vorm Spiegel, und Kronhardt verfolgte die Drehungen seiner Frau. Schließlich legte der Verkäufer auf den Sommerrabatt noch ein Täschchen obendrauf, ein Ziertuchset für den Herrn, und verbeugte sich.
    An der Kasse genoß Kronhardt die servile Gesinnung der Angestellten, und als er seine Börse zückte, steigerte sich dieser Genuß noch. Er spürte, wie ihre Augen seinen Fingern folgten, und als er die Scheine ans Licht zog, ließ er sie extra knistern; als hätte er ein intimes Verhältnis zu ihnen, als wären diese Scheine Verbündete, die jederzeit in seine Börse zurückschlüpfen würden. Nichtwahr, da spielten Softeis oder Leopard keine Rolle.
    Der Verkäufer geleitete sie zum Personalaufzug, drückte auf Restaurant und trat mit einer Verbeugung zurück. Im nächsten Stockwerk versanken sie in den knautschigen Stühlen und ließen Wiener Schnitzel und Limo bringen. Nach dem Essen schnippte Kronhardt nach Erfrischungstüchern.
    Die Mutter schürzte die Lippen im Handspiegel, und Kronhardt, quasi von Vater zu Sohn, zwinkerte und sagte: Im Fünften sind die Räder.
    Die Mutter saß in einer Reihe mit Trockenhauben. Sie blätterte, trank Kaffee und musterte die anderen Gesichter. Die Luft roch nach Festiger und Zigaretten, und die Kapsel über dem Kopf erzeugte ein wunderbares Vakuum. Wenn die Augen der Frauen sich in den Spiegeln trafen, war es eine Art wortloser Verbundenheit, und sobald die Frisöse eine der Hauben ausschaltete, schwatzten sie. Seltsam intim und unbefangen ohne Männer, und so blätterte die Mutter, trank Kaffee und hörte den anderen zu. Als sie sich schließlich einmischte, sagte sie: Lauter Einsen. Jahrgangsbester, da ist die Empfehlung natürlich keine Überraschung mehr. Doch Gymnasium ist nicht gleich Gymnasium – das ist wie mit der Garderobe. Ich kaufe mir einen Leopard, und die Schönheitskönigin sitzt da wie ein Flittchen. Und sie lachte und winkte nach der Frisöse.
    Zwei Stockwerke höher entblößte Kronhardt seine Handflächen. Welche Ansprüche wir haben, und er sah den Verkäufer lachend an. Dann tätschelte er Willem. Jahrgangsbester, sagte er zu dem Verkäufer, da läßt man sich nicht lumpen. Uns interessieren nur die neusten Modelle, was! Und wieder tätschelte er Willem.
    Der Verkäufer war auf Zack. Zweigang Nabenschaltung, sagte er. Das Gestänge ersetzt durch Drahtseilzug, der Schalthebel für schnellen Zugriff auf der Mittelstange. Zwei Einrastpositionen, sagte er, plus einmal Leerlauf. Zukunftsweisende Lackierung, und sehen Sie hier: perfekt herausgearbeitete Zierstreifen. Dazu mit fuffzehn Kilo nachgerade ein Fliegengewicht.
    Kronhardt hatte sich im Vorfeld schlau gemacht, und tatsächlich begeisterte er sich für die sichtbar werdende Technik. Er zog und drehte, fuhr über den Lack, doch gegenüber dem Verkäufer blieb er kühl; entwickelte Skepsis und versuchte mit zwei, drei aus Fachkatalogen übernommenen Phrasen die Schwachstellen des jungen Mannes aufzudecken. Der Verkäufer war auf Zack, wie gesagt, und als Kronhardt zuletzt den Preis auf eine kumpelhafte Art drücken wollte, hob der junge Mann seine Schultern. Bitte schön, wenn Sie diese Qualität günstiger kriegen als in unserem Haus, lege ich Ihnen die Differenz persönlich obendrauf.
    Schließlich zwinkerte Kronhardt Willem zu. Damit wirst du aber mächtig Eindruck auf dem Gymnasium machen, mein Junge. Na, was sagst du –

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