Kronhardt
noch alles für Geheimnisse gibt.
Dann schob er den Ãrmel zurück.
Und wenn die Viren jetzt in Ihrem Kopf rumschalten?
Keine Ahnung. Vielleicht werde ich mich eines Tages von Schafen fressen lassen.
Können Viren die Schafe denn zu Menschenfressern umprogrammieren?
Wer weiÃ. Neues ausprobieren und in Bewegung bleiben, das scheint eine Grundlage zu sein für das Wunder des Lebens. Und wer heute glaubt, sich nicht mehr weiterentwickeln zu müssen, ist morgen tot.
Auch die Menschen?
Bah. Die werden eh in den Katastrophen ihrer eigenen Schöpfungen untergehen. Und das Kapitel Riesengehirn hat sich erledigt.
Und dieser Naziarzt?
Hat mich irgendwann vergessen. Wenn ich mich nicht in Kontemplation und Hungerkunst geschult hätte, wäre ich nicht hier.
Das ist ja ein Ding.
Halb so wild. Dann sagte er: Und du weiÃt jetzt, daà die Frauen keinen Stachel ins Herz gestoÃen bekommen.
Der Penis wird in die Vagina gesteckt.
Korrekt, Junge. Und wenn du in die Jahre kommst, wo so was akut wird, nichtwahr. Denk immer dran, daà der Trieb dich in Sachen reinreiten kann, die du gar nicht willst.
Kinder?
Auch diese verfluchten Bälger. Aber wenn man kopflos wird, kann man sich in alles mögliche reinreiten.
Haben Sie â¦
Als junger Hund? Na klar. Kopf und Kragen standen auf dem Spiel.
Und Kinder?
Blask schien überrascht.
Sie haben keine, nicht?
Recht so! Und wie gesagt, diese ganze Bande interessiert mich nur noch pathologisch.
Er kam um den Schreibtisch herum und gab Willem die Hand. Der Glanz des Menschen ist dahin, Junge. Ich habe eher das Bedürfnis, ein Schaf zu streicheln oder vor einer Ameise den Hut zu ziehen.
So was hat mein Vater auch gesagt.
Dein Vater, was! Und der Doktor grinste. Dann sagte er: Wenn man das Wunder des Lebens verstehen will, muà man an die Ursprünge gehen. Bakterien, die haben den Sex erfunden. Den Austausch von Information, den Zusammenschluà hoch bis zum Organismus mit Riesenhirn. Bakterien und Viren, Junge. Das kann so ein friedliches Feld sein. Da wird die Katastrophe Mensch glattweg zur Nebensache.
7
Willem fand nie heraus, was aus dem Erdkundelehrer geworden war. Er war einfach nicht mehr da; niemand sprach mehr über ihn, so als hätte es ihn nie gegeben. Doch sein Sinn für Gerechtigkeit, sein einsamer Mut und auch die Art, wie er Wissen vermitteln konnte, hatten Spuren bei Willem hinterlassen.
Die Schulstunden unter von Weyer dagegen waren Dressur. Man wurde bestraft oder belohnt, und um keine Zeit zu verschwenden, verlegte Willem das Faktenwissen aufs Klo. Dort entwickelte er Brücken und Verdichtungen und lieà sie ins Gedächtnis sickern.
Die Mutter und Kronhardt mäkelten; der Abort war eine heimliche Welt, die man mit einer Art Zweitkörper betrat. Man sprach nicht darüber, man hinterlieà keine Spuren, doch Willems Bücher schlugen eine direkte Verbindung aus dieser Zweitkörperwelt in die sterile Realität, und die Mutter faÃte die Bücher nur mit Gummihandschuhen an. Willem stufte die Mäkeleien der Alten als harmlos ein. SchlieÃlich ignorierte er sie ganz, und seine Bücher stapelten sich.
Tatsächlich nahm die Mutter es irgendwann hin; und wenn sie jenseits von Ekel und Scham darüber nachdachte, konnte sie sogar Milde spüren. Dann lächelte sie über Willems Drang, sein Wissen noch an den unmöglichsten Orten zu vermehren, und es machte sie stolz, die Persönlichkeit des Jungen zu prägen.
Im Sommer wurden die Klassen aufgelöst und die Kinder für den weiteren Schulgang empfohlen. Die Aula war voll, der Rektor stand vorm Katheder, und alle schwitzten. Es war feierliche Verabschiedung, die Feuertaufe der ersten Initiation, sagte der Rektor, und mögen Kompetenz und Toleranz unserer Schule den Kindern ständige Begleiter sein auf ihrem weiteren Weg. Es gab Applaus, die Zeugnisse wurden verteilt, und Willem sollte aufs Gymnasium. Danach gingen alle auf den Schulhof, die Männer lockerten die Krawatten, und die Frauen zogen ihre Kostümjacken aus. Sie aÃen Schnittchen unter der Sonne und schüttelten Hände. Marduk und seine Eltern standen abseits; sie wurden beobachtet wie Marsmenschen, und wenn sie lächelten, sahen die anderen weg. Nur Hans und seine Oma gesellten sich zu ihnen.
Festiger und Nadeln hielten das Haar, und noch ihre Gesichtshaut war gestrafft. Die Zahnreihen glänzten, und der Händedruck war kalt und fest. Ihr
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