Kronhardt
Kabinetts und trotz des amerikanischen Revolverhelden weiterhin auf Entspannung ausgerichtet blieb und daà der Klassenfeind weiterhin Devisen und Kredite in den Osten leitete.
Was von Wrangel in der ersten Kohl-Ãra aber am meisten interessierte, war der innere Strukturwandel, der sich ankündigte. Wie bereits in anderen Ländern war nun auch in der BRD der Weg freigeschaltet worden für das Privatfernsehen, und von Wrangel sah auf Anhieb das Potential, das jenseits des öffentlich-rechtlichen Systems lag. Jenen freien Markt, auf dem der staatliche Auftrag zu Kultur und Bildung nun radikal neu definiert werden konnte und der jenseits aller aus der Geschichte auferlegten Ethik gesteigerte Möglichkeiten bot, die westdeutschen Volksköpfe in neuer Dimension gleichzuschalten; weitere Möglichkeiten, durch künstlich geschaffene Welten individuelles Denken und Handeln unter Kontrolle zu bringen und somit die Nachkriegswirklichkeit auch auf dieser Ebene endgültig aus ihrer Verwurzelung zu reiÃen und mit dem neuen Medium eine zweckgerichtete Dimension zu installieren.
Im Grunde konnte von Wrangel in diesem inneren Strukturwandel seine alten Visionen vom Prinzip Sparta wiedererkennen, und als alter Demagoge konnte er sich an den Möglichkeiten zur kollektiven Entmündigung und gelenkten Anzucht einer Verfügungsmasse berauschen. Das wohldosierte Zusammenwirken von Wissenschaft, Technik und Psychologie muÃte ihm ähnlich effizient erscheinen wie seinerzeit das Sparta-Prinzip, und mit der flächendeckenden Installation von Scheinwelten, meinte er, könnte die Volksenergie nun spielerisch gebündelt und gesteuert werden.
Angestachelt wie damals, als er über die Prinzipien Sparta und Lebensborn geschrieben hatte, machte von Wrangel sich an eine neue Abhandlung. Er nannte sie: Die Kunst einer ferngelenkten Wirklichkeitsentfremdung und endgültige Vernichtung individueller Wahrnehmung. Darin ging er von zwei Behauptungen aus: Erstens, daà das menschliche Gehirn anfällig sei für Rauschmittel; und zweitens, daà TV -Geräte eine Rauschmittelwirkung hätten.
Um seine Behauptungen tiefengeschichtlich zu beweisen, nahm er steinzeitlichen Schamanismus oder die eleusinischen Mysterien und legte offen, daà das menschliche Gehirn mindestens seit der Darstellung von Geschichte empfänglich ist für Drogen. Und aus den Feldforschungen der Ethnopharmakologen und den vielfältigen Erhebungen zum modernen GroÃstadtmenschen schluÃfolgerte er eine lückenlose Anfälligkeit bis in die Gegenwart.
Vor diesem Hintergrund stellte von Wrangel dann grundlegende Betrachtungen an. Er beschrieb das Säugerhirn und daran gekoppelt ein auf die Umwelt hin angepaÃtes Verhalten. Er beschrieb die Ãberwindung des Säugerhirns hin zu den kognitiven Fähigkeiten und machte sich dann an die rein menschlichen Erweiterungen; etwa an die Ausbildung kultureller Phänomene, die Entwicklung von Sprache und reflexivem BewuÃtsein bis hin zum Gipfel, auf dem Erkenntnis und freier Wille anscheinend wunderbar strahlten.
Doch tatsächlich ging es von Wrangel darum aufzudecken, wie das menschliche Gehirn seine Loslösung aus der Evolution vorantrieb; wie es sich durch die Fähigkeit zu Illusionen von der Natur entfremdete und diese Fähigkeiten zugleich umsetzte, um die Umwelt nach eigenen Vorstellungen zu manipulieren. Und aus diesen Manipulationen ergaben sich â ob der Mensch wollte oder nicht â Rückkopplungen, die aus veränderter Wahrnehmung veränderte Wirklichkeiten hervorbrachten. Die Menschen selber nahmen in der künstlich gestalteten Umwelt eine andere Entwicklungsrichtung, die Anforderungen zu Selbsterhaltung und Reproduktion veränderten sich, und die enormen Fähigkeiten des Gehirns brachten ständige Milieuveränderungen hervor und ständig neue und abstrakte Dimensionen. Und auch die Fähigkeit dieses Gehirns, sich selbst als etwas Einzigartiges wahrzunehmen, rückkoppelte mit den eigenen Schöpfungen und brachte wieder neue und abstrakte Dimensionen hervor. Von Wrangel beschrieb zum Beispiel, wie der Egoismus gewissermaÃen aus den Genen in die neuronalen Verschaltungen wanderte und immer mehr Anspruch auf alles erhob. Wie aus diesem wuchernden Egoismus heraus zugleich die totale Loslösung aus der Evolution vorangetrieben wurde â ein aggressiver Ãberwindungseifer der Urwirklichkeit â, und aufs
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