Kronhardt
kümmerte sich Kronhardt um den Grill. Der Primus stand bei ihm und stierte auf die Fleischberge. Die Mutter unterhielt das Ehepaar Leysieffer, und Willem hatte die Töchter am Hals. Es waren drei, und sie alle erschienen ihm häÃlich und langweilig.
Nach diesem Besuch war ein Nachmittag in der Woche für den Primus reserviert. Konrad Leysieffer war unförmig und weich, wie gesagt, und er wollte nichts anderes als gute Noten schreiben und später Politiker werden. Willem spulte die Nachmittage systematisch ab; er lieà sich auf nichts Persönliches ein und vermied jeden Anschein von Subversion. Der Primus brachte seine Phrasen, und Willem hakte oberflächlich nach, damit der Anschein einer Diskussion entstand. Der Primus äffte Gebärden und Stimmführung seines Vaters nach, er füllte den Raum mit Blähungen, verschachtelte jeden aufblitzenden Sinn, und Willem gab ihm das Gefühl, ein brillanter Rhetoriker zu sein. Zwei Stunden, auf die Minute, und wenn Willem den Nachmittag beendete, sagte er: Respekt, Konrad.
Manchmal erschienen die Gänse täglich, zogen fluÃaufwärts, und ihre Rufe stieÃen in die Ferne. Die Blätter färbten einen kühlen und sonnigen Oktober, aus den langen Schatten brachen erdige Düfte, und Willem muÃte feststellen, daà die Schwestern vom Primus ihn bedrängten. Anfangs hielt er es noch für eine Art Etikette, mit der sich die Mädchen wie kleine Erwachsene aufspielen wollten. Doch bald muÃte er einsehen, daà sie seinetwegen hinter den Gardinen lauerten und seinetwegen so aufgetakelt erschienen. Sie hielten ihn vom Zimmer ihres Bruders zurück, verwickelten ihn in Gespräche, und Willem begegnete ihnen stets ausnehmend freundlich. Doch er hatte keine Zeit für sie.
Den Schwestern gefiel das nicht, sie mokierten sich. Ihre Mutter schaute eines Tages in der Stickerei vorbei, um ein paar Taschentücher mit Monogramm versehen zu lassen, und danach muÃte Willem einen weiteren Nachmittag in die Leysieffer-Familie investieren. Er versuchte erst gar nicht, seine Mutter umzustimmen. Er lächelte bloÃ, nannte die Schwestern charmant und arbeitete an einem Plan.
Sie waren zurechtgemacht und führten ihn an die Kaffeetafel. Sie äfften die Erwachsenen nach, sie stellten nichts in Frage und kamen sich unglaublich vernünftig vor. Beim dritten Mal provozierte Willem einen Brechreiz. Er war selber überrascht, mit welcher Wucht es ihm hochkam. Es drang durch die Finger, er zog eine Spur bis zum Gästeklo, doch danach wurde es schlimmer. Als hätte der Leysieffer-Arzt nur auf diesen Anruf gewartet, war er bereits da, während Willem sich noch eingeschlossen hielt. Der Arzt war ein energischer Mann, und im Gefolge der Schwestern muÃte Willem sich auf ein Kanapee legen. Sie tupften ihm die Stirn und brachten das dünne Teeporzellan an seine Lippen.
Willems Mutter schien von solcher Fürsorge gerührt. Sie lieà drei Handtücher und drei Waschlappen mit den Namen der Mädchen besticken, und für Willem gab es keine Möglichkeit, diese Aufmerksamkeit zu unterschlagen. Die Mädchen sahen sich durch das Präsent ermutigt, eine nach der anderen machte zuerst einen Knicks, dann küÃten sie ihn auf die Wange und luden ihn ein ins Kino oder zu Macciavelli. Er wurde mehrmals bei solchen Unternehmungen gesehen; von Kattenesch und Lasalle tauchten auf, auch Achim-das-Tier, doch jedesmal konnte Willem erscheinen, als würde diese peinliche Lage für ihn überhaupt nicht bestehen und als hätte er hinter den Schwestern noch enorm was in petto. Doch diesen Anschein aufrechtzuerhalten kostete ihn Kraft, und um frische Kraft zu schöpfen, brauchte er freie Zeit, die er nun kaum noch hatte. Und die Schwestern wurden immer aufdringlicher, schreckten bald nicht mehr davor zurück, ihn zu Hause aufzusuchen, und wenn die Mutter sie hoch auf sein Zimmer führte, fühlte er sich nur noch hilflos und ohne Hoffnung auf Kraft.
Es war erschreckend, wie tief er im Plan und Getriebe eines Lebens steckte, das er nicht wollte. Wie er von allen Seiten bedrängt wurde, und wie vor allem seine Mutter über ihn bestimmte und ihn zu jemandem machte, der er nicht sein wollte. Willem hatte bisher gemeint, daà er mit Erfahrung und Gewohnheit diesen Mangel an Selbstbestimmtheit ausgleichen könnte; daà er in einem Bereich seines Lebens einfach funktionieren müÃte, um in dem anderen
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