Kronhardt
lachte. Und dein Leumund?
Haeckel. Der läÃt uns in den Pausen mikroskopieren.
Haeckel also. Der Direktor lehnte sich zurück und faltete die Hände über dem Bauch. Nun, der Haeckel, das sei ein ehrenwerter Mann. Wenn der Haeckel bürge, könne Willem nächsten Montag anfangen.
Nicht ich. Der Posten ist für meinen Freund, den Schlosser.
Der Direktor stutzte. Warum denn dieser Freund nicht selber hier sei?
Weil er doch noch gar nichts davon weiÃ. Die Mutter ist gestorben, und jetzt muà er mithelfen, die Familie über Wasser zu halten. Schlosser hat gar keine Zeit mehr, ins Museum zu gehen.
Soll sich vorstellen, sagte der Direktor, und dann klingelte er nach dem Aufseher und beauftragte ihn, das Schild wieder abzuhängen.
Das Haus der Schlossers war das einzige in einer Sackgasse. Eine ehemalige Remise, die für groÃe Kutschen gebaut worden war. Die Villa dazu war zerbombt, und in den Jahren danach waren die meisten Bäume auf dem parkartigen Grund gefällt worden. Die Kutschen waren in den Ãfen gelandet, auch Tore und Fensterläden der Remise, und ohne Schlossers Vater würde nichts mehr stehen.
Er hatte die Remise mit einem Stück Land gepachtet und sich verpflichtet, dort Wohnraum und Nutzgarten zu schaffen. Und dann kamen die Jahre der Entbehrungen und Schwielen, doch Schlossers Eltern hatten ein Ziel vor Augen gehabt. Im Vertrag war festgelegt, daà die Pacht auf einen späteren Kauf angerechnet würde. Sie schafften aus der Ruine ein Heim, der Vater richtete eine Werkstatt ein, die Mutter baute im Frühjahr Kartoffeln an, und zum Herbst kümmerte sie sich um Grünkohl und Rüben. So ging es voran, und die anspringende Konjunktur war ein guter Nährboden. Bald sprach sich herum, daà der alte Schlosser sein Handwerk verstand, bald beschäftigte er einen Gesellen und einen Stift in der Werkstatt, und die Remise mit dem Garten drum herum erschien wie ein kleines Schmuckstück. In dem Jahr, als sie im Büro des Sparkassendirektors den Kaufvertrag unterschrieben, wurden die Zwillinge geboren, in den Jahren darauf schafften sie zwei neue, mit Motor betriebene Sägemaschinen an, und dann, im Dezember, gingen sie in die Stadt, um Weihnachtsgeschenke zu besorgen. Und seit dem Unfall mit dem Laster, hatte Schlosser gesagt, verfiel das Haus.
Brombeeren drückten gegen den Staketenzaun, die Pforte hing schief. Nur noch ein Pfad führte durch den verwilderten Vorgarten.
Der Remisencharakter war noch zu erkennen; die Fachwerkständer und tiefgezogenen Sparren, die Rundbogenfenster â und auch die Werkstatt paÃte zur alten Architektur. Das Schild hing noch: Ed. Schlosser Möbeltischlerei, doch es war verwittert. Im Küchengarten hatten Birke und Ahorn gefuÃt, die kleine Treppe zum Eingang knarzte, und aus dem Geländer waren zwei Streben gebrochen. Eine Klingel gab es nicht.
Mensch, Willem. Schlosser machte ein Gesicht. Dann grinste er und winkte ihn mit einer Kopfbewegung herein.
Die Diele roch moderig, und in der Küche stapelten sich Töpfe. Eine Katze sah zu, wie Schlosser einen Kessel aufs Feuer stellte. Als er die Kaffeemühle kurbelte, sprang das Tier davon.
Auf der Treppe kam ihnen ein Junge entgegen.
Das ist Hannes.
Moin. Ich bin Willem.
Hannes sagte nichts, und er hatte ein blaues Auge.
Schlosser sagte: Wo ist Lene?
Beim Grab.
Und du?
Der Bruder schwieg.
Schlosser sagte: Willem ist schon in Ordnung.
SchlieÃlich sagte Hannes: Stubenarrest.
Und Vaddern?
Hannes wurde rot. Wo soller schon sein, wenner nich hier is.
Hast du deine Schulaufgaben gemacht?
Hannes nickte.
Dann schieà ab.
Der Kleine grinste, schnappte sich eine Lederpille und verschwand.
Schlosser hatte ein groÃes Zimmer mit Schräge und Stützbalken. Er schaffte ein paar Sachen aus einem Sessel, und Willem nahm Platz. Ein Radio lief, das bereits für UKW -Empfang und Stereophonie ausgerüstet war, und sie hörten ein Jazzstück mit Vibraphon.
Radio Bremen, sagte Schlosser, oder BBC . Die bringen die besten Sachen.
Sie tranken ihren Kaffee.
Auf den ersten Blick wirkte das Zimmer unordentlich, doch Willem erkannte bald eine Ãbersicht in den verschiedenen Haufen. Kisten waren zu Bücherregalen gestapelt, in anderen lagen Ventilatoren, Kolben oder Spulen. In einer Ecke standen ausgestopfte Tiere, daneben ein paar groÃe Versteinerungen und auch der Faustkeil aus Zirbels Kuhle. Willem sah ein
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