Kronhardt
strenge Vernunft nur zu untermauern, und sie sahen ihn in stummer Ergebenheit an oder kicherten. Doch nach zwei Stunden, wenn Willem zum Abschied aufsprang, geleiteten sie ihn an die Tür, als wäre nichts. LieÃen sich ihre dürren Hände von ihm küssen, und die Vorfreude auf die nächste Kaffeetafel schien ihr Lächeln gehässig zu machen. Irgendwann würde es ihm gelingen, die Schwestern und auch den Primus loszuwerden. So lange muÃte er zusehen, das Beste daraus zu machen.
Im Mai fuhr er von den Leysieffers direkt in ein Pfandhaus und kaufte ein Umkehrprisma. Zum frühen Abend hin holte er Schlosser hinterm Museum ab.
Alter Schwan. Damit rücken wir der Edeltraud aber auf den Pelz. Komm. Wir probierens gleich mal aus.
Als sie durch die Brombeerranken gingen und den verwilderten Garten, erschien das Haus dunkel. Die Haustür stand offen, eine Scheibe war zersplittert. Glas knarzte auf den Stiegen, dann standen sie im moderigen Geruch der Diele.
Schlosser machte Licht und rief nach seinen Geschwistern.
Im Haus blieb es still.
Warte hier, und er verschwand durch die Diele.
Die Katze kam und strich um Willems Beine. Ein Mädchen erschien auf der Treppe. Sie ging barfuÃ, blieb auf halber Höhe stehen und sah Willem an. Ihr Haar war zerzaust, eine Wange geschwollen. Bevor einer von beiden etwas sagte, tauchte Schlosser wieder auf. Er machte ein seltsames Gesicht, tauschte mit seiner Schwester einen Blick und lächelte.
Das ist Helene, das ist Willem, sagte er.
Die Schwester kam zögernd herunter.
Der ist in Ordnung, Lene. Komm, mach uns Kaffee.
Ihr Blick war scheu, doch als Willem die Hand ausstreckte, huschte ein Lächeln über ihr Gesicht.
Kannst unserm Alten guten Tag sagen.
Helene rià die Augen auf.
Willem weià Bescheid. Und den Posten im Museum hat er mir auch besorgt.
Das Mädchen sah Willem an, sah zu Boden und ging in die Küche. Sie lieà Wasser in einen Kessel, öffnete die Küchenhexe und schürte das Feuer.
Schlosser stand am Ende der Diele und öffnete eine Tür. Dann winkte er Willem hinein.
Das Zimmer war schummrig. Von auÃen drückte Brombeer gegen die Fenster, die Sonne stieà kaum durch. Zwei Stehlampen brannten, der Teppich war braun, die Tapeten waren vergilbt. Eine Musiktruhe war aufgeklappt, auf dem Plattenwechsler verstaubten die 45 er. Cocktailschrank, Büfett und Tisch waren voller Ränder. Ãber dem Sofa hingen zwei Photographien, ein Hochzeitsbild und darunter ein strahlender Mann, der ein groÃes Schild in den Armen hielt: Ed. Schlosser Möbeltischlerei.
Der Mann war alt geworden, alles Strahlende dahin. Er saà im Sofa, halb zusammengesunken, halb von Kissen gestützt.
Komm schon, sagte Schlosser, pflanz dich.
Willem nahm den Sessel.
Der Mann auf dem Sofa röchelte. Er war mal bullig gewesen, doch die Kraft war eingefallen, und über den Knochen saà zäh gewordene Haut. Er hatte einen Charakterkopf, wie ein leidender Künstler. Seine Augen gingen auf und zu.
In diesem Zustand ist der Alte ganz erträglich. Und Schlosser rüttelte an dem Mann. Aufwachen, Vaddern, Besuch.
Der Mann reagierte vage.
Dann kam Helene herein. Sie hatte ihr Haar gekämmt, und auch die Wange schien nicht mehr so rot. Kaffee ist aus, sagte sie. Gibt nur noch Ersatz. Und sie stellte ein Tablett auf den Tisch.
Hat jemand eine Uhr?
Die Schwester sah automatisch auf, doch die Stutzuhr war erstarrt.
Gleich Viertel vor, sagte Willem.
Und Schlosser klatschte in die Hände. Hopp, Lene. Lauf zum Krämer und bring ein Viertelpfund.
Sie fing seine Börse. Wir bräuchten auch noch Brot.
Und sonst?
Viel ist nicht mehr da.
Hat er noch Schnaps?
Die Schwester sah zu Boden.
Schlosser ging zu seinem Vater und fischte einen Fünfmarkschein vor. Bring ne kleine Flasche. Und seine Kippen.
Der Ersatzkaffee war heiÃ, die Tasse sauber. Willem wuÃte nichts zu sagen.
Der Vater röchelte, kam hoch und versank wieder zwischen den Kissen.
Dauert nicht mehr lang, und er ist wieder beisammen. Manchmal krempelt er die Ãrmel hoch und packt was an. Oder er fragt die Kleinen nach der Schule. Dann kann man meinen, der Mann ist im Lot.
Willem sagte nichts.
Aber in Wirklichkeit ist er unberechenbar.
Willem dachte an das Umkehrprisma.
Aus dem Nichts schlägt er alles kurz und klein.
Der Verkäufer in der Pfandleihe hatte erklärt, daà es sich um ein Reflexionsprisma handelte.
Und
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