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Kronhardt

Titel: Kronhardt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralph Dohrmann
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Karnivorengebiß und dann einen Menschenschädel mit Schiebermütze. Er nahm den Schädel.
    N Neandertaler, sagte Schlosser.
    Quatsch.
    Und der Baumstamm da, n Knochen vom Harlan-Riesenfaultier.
    Quatsch.
    Und die Maske is original Bronzezeit.
    So was sieht man nur im Museum.
    Da kommen die Dinger her.
    Quatsch.
    Sohn vom Bauern is besoffen im Kopf ins Heimatmuseum eingestiegen, und später hat der Alte das Zeugs gefunden. Der Sohn hat ne Wucht gekriegt, und dann wollte der Bauer das Zeugs aus Scham verbuddeln. Ich habs ihm abgeschwatzt.
    Wie kommt n Bauer dazu, dir zu erzählen, daß sein Sohn n Einbrecher ist?
    War der Sohn. Dem hab ich mal n Vergaser besorgt, und wie wir so schnacken, da zeigt der mir zuerst die Maske.
    Wie kommstn an die Bauern?
    Mit der Brennhexe. Bißchen über Land, und dann kommt man schon ins Gespräch. Ganz eigener Schlag, sag ich dir, und wenn du dann die Bauern hörst, die sagen das gleiche über uns Stadtmenschen. Jedenfalls schmeißen die Bauern nichts weg.
    Und Schlosser zeigte ins Zimmer. Kuck dir an, was sie in der Stadt alles wegschmeißen. Und dann kaufen sie was Neues, das ruckzuck wieder alt wird. Sperrmüll is ne Goldgrube. Aber die Bauern, die sind ganz eingefleischte Sammler. Bei denen landet erst mal alles in ihren Scheunen, weil, später kann mans vielleicht noch brauchen. Hier.
    Er stand auf und öffnete eine Holzkiste. Hat beide Weltkriege überstanden. Die Bauern hieltens für n Kapitänsfernrohr und dachten, wer weiß, vielleicht kommt man noch mal zur See. Aber dann haben sies mir doch gegeben, und ich hab ihnen den Garten gemistet. Und immer wenn ich wieder vorbeischau, wollen sie von mir die Zukunft wissen. Oder das Wetter.
    Schlosser machte die Kiste auf und baute ein Teleskop zusammen.
    Tubus und Linsen sind völlig intakt. Nur das Stativ mußte ich wieder flottmachen.
    Dann nahm er mit dem Teleskop die schmalen Stiegen zur Dachluke.
    Sie saßen rittlings auf dem Giebel, während Schlosser die Stativbeine verankerte und den Tubus justierte.
    Das Teleskop zielte durch zwei Bäume hindurch auf eine entfernte Häuserreihe, und zuerst sah Willem nichts. Einfach ein schwarzes Loch. Dann tränte das Auge, und über dem anderen zuckte das Lid. Beim nächsten Mal entwickelten sich in dem Loch helle Konturen, Schatten zogen durch die Helligkeit, und endlich stellte sich Schärfe ein. Doch zuerst sah Willem ein Bild, das er nicht verstand. Dann rief er: Mensch, Schlosser! Und dann: Das ist ja verrückt!
    Schlosser sagte: Manchmal läuft sie nackt rum.
    Willem sah eine Frau, die unter der Zimmerdecke lief. Anfangs erwartete er, daß ihre langen Haare abstehen müßten oder die Möbel von der Decke fallen, und Schlosser meinte, daß das ein Automatismus wäre, eine bequeme Weigerung, sich auf neue Blickwinkel einzulassen.
    Hast du sie schon mal auf der Straße gesehen?
    Hab sogar auf ihre Klingel gekuckt. Heißt Edeltraud und gibt Cellounterricht.
    Sie ist hübsch.
    Und ob.
    Spielt die auch nackt?
    Da würde man doch gar nichts sehen.
    Vielleicht wie die Schwingungen durch ihren Körper gehen. Oder daß sie mit dem Bogen andere Sachen macht.
    Schlosser pfiff. Alter Schwan!
    Kannst du das Bild umdrehen?
    Dazu braucht man ein spezielles Prisma. Aber für die Sterne ist das egal, und wenn Edeltraud kopfsteht, hat das ja auch was.
    Willem sah die Cellistin rauchen, und der Rauch fiel in den Boden.
    Freitags fahr ich meist raus. Das Land ist platt und nachts zappenduster. Da siehst du zehnmal so viele Sterne wie hier, und aufm Mond kannst du die Krater zählen.
    Mensch, das hört sich gut an.
    Und danach gehn wir in den Ochsenkrug und wärmen uns bei der dicken Helga auf.
    Willem erwartete immer wieder, daß die Möbel oder das lange Haar der Cellistin in die Tiefe fielen. Doch mit der Zeit lernte er den ungewohnten Anblick einzuordnen.
    Haeckel hatte einen Brief geschrieben, und der Museumsdirektor nickte wohlwollend. Alsdann, junger Mann. Und er langte Schlosser seine dicke Hand, und der Montag wurde zur festen Einrichtung.
    Die Asservatenkammer lag unterirdisch, Temperatur und Luftfeuchtigkeit wurden konstant gehalten, und die Leuchtröhren waren mit Kohlensäure gefüllt, um ein stets gleichbleibendes weißes Licht zu haben. Zwischen den Regalen und Vitrinen hatte sich ein System aus Gängen entwickelt; Rolltische und Leitern standen herum und auch ein Panzerschrank.

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