Kronhardt
Schlosser sollte die Artefakte entstauben, anhand eines Bestandsbuches identifizieren und, wenn nötig, Beschriftung und Nummern erneuern. Artefakte, die noch nicht im Bestand auftauchten, muÃte er mit einem roten Aufkleber kenntlich machen. Und höchstes Augenmerk, hatte der Direktor gesagt, war auf Schädlinge aller Art zu legen, wobei in der Asservatenkammer grundsätzlich gefährlich war, was irgendwie lebte. Schlosser sollte alles melden und, wenn möglich, zur Bestimmung einfangen.
Die Arbeit machte Schlosser SpaÃ.
Er entdeckte Schrumpfköpfe, ein aus Horn geschnitztes Mischwesen und Tontafeln mit einer seltsam linksläufigen Schrift. Er stieà auf einen in Alkohol schwimmenden Quastenflosser und auf ägyptische Kanopen, in denen anscheinend noch Reste waren. In einer kleineren Kiste, die verstaubt und nirgendwo verzeichnet war, entdeckte er Schmuckstücke, wie sie vielleicht für Pferdegeschirr oder Kriegstrachten verwendet worden waren. Aus Gold getriebene Plättchen, die äuÃerst fein gearbeitet waren und meist Raubtiere und Fabelwesen darstellten. Schlosser fand auf der Kiste kyrillische Buchstaben, er reimte sich die Eremitage und deutsche Beutekunst zusammen, und gemeinsam mit Willem veranschlagten sie für die Stücke ein Alter von mindestens zweieinhalbtausend Jahren und schrieben sie den Skythen zu. Doch der Direktor wollte von Skythen und Beutekunst nichts wissen. Papperlapapp, sagte er, nahm die Kiste, klopfte Schlosser auf die Schulter und erhöhte sein Stundengeld um fünfzig Pfennig.
Kurz darauf identifizierte Schlosser ein mit einem Fragezeichen beklebtes Ding als Barbarenmünze, und der Museumsdirektor nannte sie tatsächlich eine lupenreine Fälschung und war begeistert. Na bitte! rief er, klopfte Schlosser wieder auf die Schulter und legte noch mal fünfzig Pfennig drauf. Und als die Zeitungen von der Barbarenmünze berichteten, wurde auch Schlosser im Text erwähnt. Vom Gold der Skythen stand jedoch nichts, und Willem meinte, daà der Direktor nicht so einfach davonkommen könne.
Schlosser gab ihm recht, und als die Jungs beim Direktor saÃen und nachfragten, ob denn das Skythengold zurück an die Eremitage gehen würde, faltete der Mann die Hände über dem Bauch. Ihr seid auf Zack, sagte er, und euer Sinn für Gerechtigkeit in Ehren. Doch da wäre nichts zurückzugeben. Schlosser hätte nichts weiter als Repliken entdeckt, die als potentielle Beutekunst für die Besatzer hergestellt worden seien.
Repliken, sagten die Jungs.
Von nichts. Einfach ein paar Brocken für die Besatzer.
Vorgetäuschte Beutekunst als Brocken für die Besatzer?
Damals wurde mit allen Tricks gearbeitet.
Und heute?
Heute brauchen wir von den Schätzen des Museums nicht mehr abzulenken.
Und Sie meinen, das ist kein Skythengold?
Papperlapapp, und der Direktor lachte.
Wertloses Zeugs, meinen Sie?
Wenn ihr so wollt, Jungs.
Dürfen wir es haben?
Und er lachte erneut. Wir sammeln hier wohl aus Leidenschaft. Aber unser Ziel ist Aufklärung, und das schlieÃt auch die Geschichte unseres Hauses mit ein. Die Repliken haben natürlich einen ideellen Wert. Aber wie gesagt, Jungs, ihr seid auf Zack.
DrauÃen grinsten sie sich an. Für Schlosser war der Posten ein Geschenk.
Schlosser erzählte dem Schrotthändler davon, und der Mann hob nur die Schultern. Bei so einem Stundenlohn konnte er nicht mithalten. Aber er hatte nichts dagegen, wenn Schlosser vorbeikam, wie es ihm paÃte. Zu tun gab es immer etwas.
Willem muÃte mittlerweile wieder mit den Leysieffer-Schwestern kaffeesieren. Er konnte nicht sagen, ob sie einfach zu dumm waren oder zu verzweifelt. Manchmal meinte er auch, daà sie beides zusammen wären und sich zudem tatsächlich in ihn verliebt hätten. Er überwand den Widerwillen gegen die wöchentliche Tafel, indem er sich der Situation stellte und bemüht war, das Beste daraus zu machen. Schon im April hatte er die Lage im Griff; er lieà sich auf die Schwestern ein, griff ihre Torheiten auf und verwandelte sie. Dabei lernte er, seine Art zu verfeinern, und bald gelang es ihm mühelos, ihre Worte oder Gebärden als Anspielungen auszulegen, die sie erröten lieÃen. Wenn sie sich echauffierten, konnte er eine Vernunft entwickeln, die so streng war, daà die Mädchen sittenlos erscheinen muÃten oder kommunistisch. Und alles, was sie dagegen aufbrachten, schien seine
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