Kronjuwel (German Edition)
Derrick«, ging Noah über die Bemerkung hinweg.
»Einen einzigen Gefallen, danach sind wir für immer quitt.«
Wortlos lauschte Derrick, als Noah ihm erzählte, was er für ihn tun sollte.
»Das kannst du nicht von mir verlangen, Noah«, sagte er dann mit fast schon verzweifelter Stimme.
»Doch, das kann ich«, entgegnete Noah kalt, »und das werde ich auch. Ich muss es tun, Derrick, aber das kann ich nicht ohne deine Hilfe. Es ist erst drei Tage her, dass du mir mit genau dem gedroht hast, worum ich dich jetzt sogar bitte.«
Noah gab ihm einen Moment um darüber nachzudenken und fragte dann, »Kann ich mich auf dich verlassen?«
Derrick antwortete nicht.
»Kann ich dir vertrauen, Derrick?«, hakte Noah mit eindringlicherer Stimme als zuvor nach.
Durch den Hörer des Telefons war deutlich zu hören, wie Derrick mehrfach schwer ein und aus atmete, bevor er antwortete.
»Ja«, sagte er schließlich knapp und noch im selben Moment senkte Noah langsam das Telefon von seinem Ohr und beendete das Gespräch.
Teil 1
Ziele
Die rot leuchtenden Digitalziffern auf seinem Wecker zeigten 5:10 a.m. »Gut zu wissen, dass es nicht 5 Uhr abends, sondern morgens ist, da wäre ich selbst nicht drauf gekommen«, dachte er halb aufrichtig grimmig, halb ironisch als er die »a.m.« Angabe sah, und machte sich geistig bereit aufzustehen. Für gewöhnlich stand er erst gegen halb sechs auf, doch da er schon einmal die Augen geöffnet hatte, befürchtete er gar nicht mehr aufstehen zu können, sollte er jetzt wieder einschlafen. Er war noch nicht richtig wach, fast benommen, und erst langsam kam sein Gehirn wieder in einen betriebsfähigen Zustand. Diesen erreichte es keine Sekunde zu früh, denn gerade wollte er die warme Decke zurückschlagen, als es ihm wieder einfiel. Es war der sechste April und er hatte heute frei. Erleichtert, und sich darüber wundernd, wie er das hatte vergessen können, ließ er sich zurück in seine Kissen sinken. »Gleich viel besser«, dachte er sich und schloss die Augen wieder, mit dem festen Vorsatz erst gegen 10 Uhr wieder wach zu werden.
Trotz aller Bemühungen, doch wieder in die Traumwelt hinüber zu gleiten, wollte es ihm ausgerechnet an diesem Morgen einfach nicht gelingen. Nach einer halben Stunde der verzweifelten Versuche wieder einzuschlafen, gab er verdrossen auf, schlug die Decke zurück und setzte sich auf. Durch die nicht ganz geschlossenen Vorhänge drang das Licht der Straßenlaternen in sein Schlafzimmer, das den gerade anbrechenden Tag noch an Helligkeit überbot.
Für ein paar Minuten saß er einfach nur da und lauschte den Geräuschen, die von draußen hereindrangen. In regelmäßigen Abständen fuhren Autos unten auf der Straße vorbei. Er stellte sich vor, was für Geschichten hinter den Menschen stehen mochten, die um kurz vor sechs bereits unterwegs waren. In einigen der passierenden Wagen sah er Arbeiter, die bereits so früh auf ihrer Baustelle mit ihrer Schicht beginnen mussten, bevor der Großteil der Stadt überhaupt aufgestanden war. Andere waren für ihn Ärzte, die gerade zu einem Notfall in ihrer Klinik gerufen worden waren und wieder andere waren Zeitungsreporter auf dem Weg zum Ort eines nächtlichen Einbruchs, die er dann wenig später in den Morgennachrichten wieder sehen würde.
Während das Licht des Tages immer mehr durch die Spalten des cremefarbenen Vorhangs kroch, hatte er genug von diesen Wachträumen und knipste ohne hinzusehen die Lampe an seinem Bett an.
Er saß immer noch auf der Bettkante und betrachtete sich nun im Spiegel, der auf der anderen Seite seines doch recht kleinen Schlafzimmers die Front seines Kleiderschrankes zierte.
Noah Bishop war ein 25 Jahre alter, sportlich gebauter Mann mit hellblonden Haaren, die er ganz kurz trug. Seine hellblauen Augen wirkten unheimlich intensiv bei dem wenigen Licht, das in den Raum einströmte und wären sicherlich in seinem Spiegelbild hervorgestochen, wäre seine Haut nicht so blass gewesen. Der lange Winter in Oregon hatte ihn all seine Farbe verlieren lassen, und seit der Frühling angebrochen war, hatte er kaum noch Zeit gefunden, sich im Freien aufzuhalten. Die Arbeit machte ihn verrückt. Nicht dass sie ihn unterforderte, vielmehr wurden ihm Aufgaben aufgebürdet, die eigentlich für zwei gereicht hätten. Das hatte er davon, dass er einer aufmerksamkeits- und selbstsüchtigen Professorin zuarbeitete, deren Eitelkeit nur von ihrem Drang sich zu profilieren übertroffen wurde. Sie hatte schon
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