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Kronjuwel (German Edition)

Kronjuwel (German Edition)

Titel: Kronjuwel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Mann
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hatte alles daran gesetzt, eine perfekte Arbeit zu schreiben. Er hatte ein klares Ziel vor Augen gehabt und hatte sich nicht zu sehr um die Zukunft geschert. Jetzt, drei Jahre später, bereute er, nicht früher darüber nachgedacht zu haben, was nach der Doktorarbeit kommen sollte und sich verschiedene Alternativen überlegt zu haben.
    Er drehte den Bleistift in seiner Hand, mit dem er zuvor Notizen auf seinem gelben Schreibblock gemacht hatte, über seinen Zeigefinger. Gerade hatte er den Entschluss gefasst, es für heute gut sein zu lassen, als sich die große, schwere Holztür am Haupteingang der Bibliothek unerwartet öffnete. Noah blickte auf. In der Tür stand Professor Caine und lehnte sich mit in die Hüfte gestemmten Armen an das warme Eichenholz des Eingangs an.
    »Woran arbeiten Sie gerade?«, fragte sie ihn quer durch den Saal. Sie musste noch nicht einmal ihre Stimme erheben, denn in der großen, leeren Bibliothek hallte ihre Stimme schon bei normaler Lautstärke deutlich hörbar wieder. Noah schnaubte erneut. Es war kurz nach Mitternacht und anstatt sich darüber zu wundern, dass er überhaupt noch arbeitete, interessierte sie sich nur dafür, womit er gerade beschäftigt war, als sei es eine Selbstverständlichkeit jeden Tag mindestens fünf unbezahlte Überstunden zu machen.
    »Ich bereite meine Seminarreihe über Griechenland vor«, gab Noah wahrheitsgemäß zurück.
    »In Ordnung«, sagte Caine und es kam Noah vor, als hätte sie ihm überhaupt nicht zugehört, »Würden Sie kurz damit aufhören und mich in mein Büro begleiten. Ich habe Ihnen ein Angebot zu machen.«
    Ohne seine Reaktion abzuwarten drehte sie sich um und ging wieder. Sie zog die Tür hinter sich nicht zu, sondern ließ sie offen stehen, sodass Noah hören konnte, wie sich das laute Klacken ihrer Absätze auf dem Steinboden vor der Bibliothek langsam von ihm entfernte. Er war verwirrt, sein müder Verstand war damit überfordert die Eindrücke zu verarbeiten, die er gerade gewonnen hatte. Vor einer Minute noch war er in Gedanken an seiner eigenen Perspektivlosigkeit gewesen, jetzt fragte er sich was Caine von ihm wollen könnte, und vor allem, warum sie zu so später Stunde noch an der Universität war, denn eigentlich war ihr Arbeitstag schon vor Stunden zu Ende gewesen. Doch anstatt noch länger darüber zu grübeln stand Noah auf, räumte die Materialien, die er vor sich auf dem Tisch ausgebreitet hatte unordentlich zusammen und packte seinen Notizblock in seine Umhängetasche, die auf dem Stuhl neben ihm lag. Ohne die Bücher wieder wegzuräumen verließ er die Bibliothek. Er vertraute darauf, dass es entweder jemand am nächsten Morgen für ihn erledigen würde, oder dass das Personal zu faul dazu war und sein Material an Ort und Stelle liegen ließe, was es ihm ersparen würde, beim nächsten Mal alles erneut herauszusuchen.
    Ihm fröstelte, als er auf den Flur trat. Das alte Gemäuer hatte an den wenigen schönen Frühlingstagen des Jahres noch nicht viel Wärme aufnehmen können und hielt deswegen noch immer die gleiche Kälte, die man vor allem im historischen Teil der Universitätsgebäude aus dem Winter kannte.
    Durch die hohen Fenster konnte Noah die kargen Äste der Bäume draußen sehen. Im Dunkeln waren die kleinen, grünen Knospen, die langsam anfingen sich an den äußeren Enden der Zweige zu öffnen, kaum sichtbar.
    Nach zwei Minuten erreichte er Caines Büro. Die Tür war nur angelehnt und öffnete sich etwas weiter, als er anklopfte. Professor Caine saß auf der Ecke ihres Schreibtisches und beugte sich nach vorne ihrem Laptop entgegen. Sie drehte den Kopf als Noah eintrat.
    »Da sind Sie ja«, meinte sie abwesend und wies ihn dann an, die Tür zu schließen.
    »Was gibt es denn, Ma’am?«, fragte Noah, nachdem er dies getan hatte. Er war ungeduldig. Vermutlich wollte sie ihm nur wieder irgendeine Anfängeraufgabe zuteilen und ihn dann damit nach hause entlassen.
    »Noah, Sie sind ein guter Mann«, begann sie jedoch völlig zu seiner Überraschung das Gespräch.
    »Vielleicht habe ich Sie in letzter Zeit ein Wenig zu hart angefasst. Aber jetzt bietet sich unserer Fakultät eine Chance. Gleichzeitig ist es auch eine Chance für mich, um mich bei Ihnen zu revanchieren. Und eine Chance für Sie, um zu beweisen, dass Sie wirklich so gut sind, wie Ihre bisherige Arbeit vermuten lässt.«
    »Ma’am, ich kann nicht ganz folgen«, erwiderte Noah verwirrt. Hatte seine Chefin ihn gerade gelobt? Hatte sie zugegeben, dass

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