Kronjuwel (German Edition)
Mitarbeiter in ihrem Büro ein und aus und die setzten sich höchstens einmal auf die Tischkante, wenn ihr Anliegen nicht so kurz war, dass sie gleich an den Türrahmen gelehnt im Eingang stehen blieben.
Gerade hatte sie diesen Gedankengang beendet, da klopfte es an der immer noch geöffneten Tür und ein schlanker, groß gewachsener Mann mit asiatischen Gesichtszügen trat ein.
»Morgen, Ma‘am«, begrüßte er sie. Im Gegensatz zu so ziemlich jedem anderen auf der ganzen Etage und vermutlich auch im gesamten Gebäude trug er keinen billigen Anzug von der Stange mit einer zehn Dollar Krawatte, sondern war in feinste italienische Stoffe gekleidet, von Kopf bis Fuß nach Maß und für ihn angefertigt. Niemand wusste so recht, wie genau Agent Wuan so viel Geld verdient hatte, dass er seinen aktiven Dienst beim FBI ruhig an den Nagel hätte hängen können, doch es gab Gerüchte darüber, dass er zuvor bei der Sitte gewesen war und dort bei mehreren großen Schlägen gegen organisierte Kriminalität von Südkalifornien mitgemischt hatte. Allerdings traute sich mittlerweile niemand mehr so recht den Sohn einer Amerikanerin und eines koreanischen Einwanderers danach zu fragen, denn unmittelbar nach seiner Versetzung in das Los Angeles Büro des FBI hatte einer der Datenanalysten, der ihm wiederholt und hartnäckig Fragen zu seiner Vergangenheit gestellt hatte, und sogar so weit gegangen war, die Datenbank des LAPD zu durchsuchen, seinen Job innerhalb eines Tages verloren, nachdem Wuan sich über ihn beschwert hatte.
»Unten an der Pforte wartet ein Mann, der Sie sprechen möchte«, fuhr er fort und wartete auf eine Antwort.
»Hat dieser Mann auch einen Namen?«, gab sie fragend zurück.
»Masters. Derrick Masters«, antwortete Wuan und hatte sofort die Aufmerksamkeit der jungen Agentin gewonnen.
»Der Wissenschaftler von der Ausgrabung in Mexiko?«, fragte sie und versuchte dabei möglichst sachlich zu klingen, obwohl sie die Antwort bereits kannte.
»Ja, Ma‘am. Soll ich ihn wieder weg schicken?«
»Nein, um Himmels Willen, schicken Sie ihn rein«, antwortete sie schnell und Wuan machte sich nickend auf den Weg, um den Besucher aus dem Erdgeschoss abzuholen. Sie zog ihren Computer aus ihrer Tasche und stellte ihn vor sich auf den Tisch. Sie zögerte einen Moment, klappte ihn dann auf und rief die Protokolle der Befragungen auf, die nach der Rückkehr der Forscher aus Mexiko durchgeführt worden waren.
Wenige Minuten später klopfte es erneut an die Tür und der Historiker trat ein. Das letzte Mal, als sie ihn gesehen hatte, war sein Arm noch in einer Schlinge gewesen und man hatte ihm die Strapazen der OP zur Entfernung der Kugel noch angesehen, doch jetzt, nur zwei Monate später, deuteten keine äußerlichen Merkmale mehr auf seine Verletzung hin. Allerdings kam sie nicht umher zu bemerken, dass ihn etwas zu quälen schien. Keine körperlichen Schmerzen, vielmehr sah er aus, als plage ihn sein Gewissen, als sei er nicht mit sich im Reinen. Tiefe Falten auf seiner Stirn deuteten darauf hin, dass er viel und lange gegrübelt hatte, und sie versuchte sofort eine Verbindung zu seinem plötzlichen Erscheinen in ihrem Büro herzustellen.
»Mr. Master, wie schön Sie wieder zu sehen«, begrüßte sie ihn und erhob sich von ihrem Bürostuhl.
»Agent Fitzgerald«, erwiderte der Gast und reichte ihr die Hand des Armes, der noch vor wenigen Wochen von einer Gewehrkugel durchbohrt worden war.
»Wie geht es Ihnen? Ich hoffe, Sie haben alles gut überstanden.«
»Ja, habe ich. Ich bin noch immer krankgeschrieben, mein Bein erholt sich langsam, aber wird wohl noch ein paar Wochen brauchen. In der Zwischenzeit wohne ich hier in L.A. bei meiner Schwester und ihrem Ehemann.«
Sie lächelte und nickte bevor sie fortfuhr.
»Was kann ich für Sie tun?«, fragte sie und wies mit der offenen Hand auf einen der beiden Stühle auf der anderen Seite ihres Schreibtisches. Sie schmunzelte innerlich bei dem Gedanken, dass es wahrscheinlich das erste Mal war, dass jemand dort Platz nahm.
Nachdem sie sich gesetzt hatten sah Kate, wie ihr Gegenüber tief einatmete und noch einen Moment zu überlegen schien, bevor er schließlich begann, »Ich möchte eine Anzeige machen, die im Zusammenhang mit unserer Expedition nach Mexiko steht. Deshalb wollte ich zu Ihnen, Sie kennen den Fall und die beteiligten Personen bereits.«
»Eine Anzeige? Welcher Art?«
»Es geht um den Diebstahl und den illegalen Verkauf eines Kunstwerkes von der
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