Kronjuwel (German Edition)
einzureden, doch das Wenige, das er von ihrem Gesichtsausdruck erkennen konnte, ließ sein Herz in seine Hose rutschen. Das war nicht der Ausdruck eines Menschen, der sich wieder beruhigen würde, der einfach in ein Auto steigen würde und alles vergessen würde. Es war der Ausdruck von Unterlegenheit, von Niederlage und tiefem, unbändigem Schmerz.
»Versprich mir, dass du es alles wieder in Ordnung bringen wirst«, forderte sie ihn auf.
»Das würde ich, aber ich weiß einfach nicht wie«, gab Noah zurück. Der Klang der Verzweiflung mischte sich in seine Stimme, doch er versuchte die Fassung zu bewahren und sie weiter zu beschwichtigen, doch sie unterbrach ihn energisch.
»Du musst es versprechen.«
»Ja, gut, ich verspreche es. Aber jetzt sollten wir von hier verschwinden, lass uns nach hause fahren und in Ruhe darüber reden.«
»Nein, Noah«, sagte sie endlich mit unverändert hartem Gesichtsausdruck und bevor es ihm bewusst wurde, spürte Noah eine Endgültigkeit in ihrer Aussage, die ihn schaudern ließ.
Noch immer prasselte der Regen rings um sie herum nieder und vermischte sich mit dem Rauschen der Wellen zu einem Getöse von Wassermengen, das nahezu alle anderen Geräusche überdeckte. Satt und dumpf trafen die Tropfen auf den nassen Sand während sie nur zwei Meter weiter hart und platschend auf das Meerwasser einzuschlagen schienen, als bekämpfe der Regen das Meer und wolle ihm zeigen, dass er über genauso unbändige Kräfte verfügte, wie die größte Wassermasse der Erde. Doch obwohl die Geräuschkulisse alles andere zu verschlucken drohte, würden sich die nächsten Worte für immer in Noahs Gedächtnis einbrennen. Unzählige Male sollte er noch darüber nachdenken, was als nächstes Geschah, und bei jeder einzelnen Erinnerung würden Avas Worte glasklar und unverfälscht durch seinen Kopf gehen, als stünde sie direkt vor ihm.
»Es ist nicht deine Schuld. Und du darfst sie dir auch nicht aufbürden. Noch hast du die Chance, alles wieder gut zu machen, was du getan hast. Ich wünschte, das könnte ich auch.«
Sie hatte den Satz kaum beendet, da griff sie mit einer Hand in ihre Handtasche und ließ sie dann fallen, wobei sie einen für Noah auf die Entfernung kaum zu erkennenden Gegenstand herauszog, ihn auf Höhe ihres Kopfes hob und mit einem einzigen gellenden Schuss begleitet von einem blendend hellen Feuerstoß ihr eigenes Leben beendete.
Er drehte den Schlüssel im Schloss und stieß die Tür auf. Ungebremst stolperte er in die Mitte seiner Wohnung und fiel dort flach auf den Boden, wo er einige Augenblicke liegen blieb bevor er sich auf den Rücken drehte. Verzweifelte Tränen liefen aus seinen Augenwinkel an seinen Schläfen herunter als er in seiner Jackentasche nach seinem Telefon suchte und es herauszog.
Er wählte die Nummer des einzigen Menschen, dem er in dieser Situation noch zu vertrauen glaubte und hoffte während es einmal, dann zweimal, dann dreimal in der Leitung klopfte, dass er sich dabei nicht irrte. Endlich nahm er den Anruf entgegen und was folgte waren die schwersten fünf Minuten in Noahs Leben. Während er ihm erzählte, was geschehen war durchlebte er die Erinnerung an das, was er vor kaum einer halben Stunde hatte mit ansehen müssen noch einmal so real, als stünde er noch einmal an diesem verregneten, stürmischen Strand. Wie er erwartet hatte wollte Derrick ihm zuerst nicht helfen, nicht zu den Bedingungen, die er gestellt hatte und nicht bei dem, was für Noah auf dem Spiel stand.
Doch als Noah nach wenigen Minuten das Telefon wieder von seinem Ohr sinken ließ, glaubte er ihn überzeugt zu haben. Er schloss die Augen, aus deren Winkeln noch immer salzige Tränen rannen und versuchte sich durch tiefes, ruhiges Atmen etwas zu beruhigen. Als er es einigermaßen geschafft hatte, seine Emotionen zu bändigen, tippte er erneut auf den Bildschirm seines Handys und wählte eine weitere Nummer.
»Noah, wie geht es dir?«, begrüßte ihn die Stimme am anderen Ende und Noah biss die Zähne zusammen, um die Beherrschung zu bewahren.
»Ich habe es mir überlegt, Doyle«, sagte er schließlich nach einer fast schon zu langen Pause, »Ich kann das zusätzliche Geld wohl ganz gut gebrauchen, schätze ich.«
Doyle konnte seine Aufregung darüber kaum verbergen, als er ihn für diese Entscheidung lobte und ihm versprach, dass Noah nach diesem Geschäft nie wieder einen Zahltag brauchen würde. Noah war unterdessen darauf bedacht, das Gespräch kurz zu halten und
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