Krúdy, G u. Szerb, A u. Szép, E
müde aus, weil er ja ständig den Kopf unten am Boden hatte.
»Allen schulde ich zwei Ohrfeigen, all diesen Herren, die mich im Leben gekränkt haben. Von jedem schrieb ich mir am selben Tag, an dem sie mich demütigten, aus dem Gästebuch beim Portier die Adresse auf. Wenn mir einer seinen Schuh an den Kopf geworfen hat, weil ich ihm den Schnürsenkel abgerissen haben sollte, oder mich unflätig beschimpfte, weil die Hose, die ich ihm beim Schneider abgeholt habe, fleckig war: Das Schwein war natürlich ich, der Fleck wurde mir angekreidet, obwohl sie doch zum Bügeln beim Schneider gewesen war. Ach, lieber gnädiger Herr, immer war ich an allem schuld. Aber wartet nur, ihr Schurken, eure Adressen sind notiert, von allen, die logen, ich hätte sie nicht geweckt, wenn sie nach dem Wecken wieder eingeschlafen sind, die mich als Rindvieh beschimpften, herumstießen und einen Dieb nannten, wenn ihnen etwas verloren ging. Oder wenn mir einer befahl, der einsamen Dame im Haus einen Brief zu überbringen, obwohl er auf demselben Stockwerk wohnte, ja, einen armen anständigen Menschen wie den letzten Haderlumpen behandelte. Aber auch du bist vermerkt, auch dich habe ich.«
»Na, Gott sei Dank! Schnell, geben Sie ihn mir.«
Ich war nicht ganz bei der Sache und glaubte, er habe den Kragenknopf gefunden.
(Der war übrigens gar nicht hinuntergefallen, Lőrinc entdeckte ihn später beim Kleingeld auf dem Nachtkästchen.)
»Auch in Afrika habe ich einen Kunden, in Alexandria. Einen Teppichhändler. Oh, bitte schön, viel werde ich reisen, überallhin, von den sechs Mal hunderttausend Kronen kann ich nach London fahren, nach Paris, Hamburg, nach Spanien, in die ganze Welt, Ohrfeigen austeilen, jawohl, und danach meinetwegen verrecken.«
Unlängst kam ich wieder einmal an besagtem Hotel vorbei und sah Lőrinc draußen in der Hotelauffahrt, wie er mit einem zweiten Bediensteten einen riesigen schwarz lackierten Reisekoffer auf das Gepäckwägelchen bugsierte. Neue Gäste waren eingetroffen.
»Hallo Lőrinc, wie geht’s? Kennen Sie mich noch?«
»Aber ja, lieber gnädiger Herr. Lange hab ich Sie nicht gesehen.«
»Ganz recht, es müsste zehn, zwölf Jahre her sein.«
Armer alter Lőrinc, jetzt war er wirklich schon ein ziemlich alter Mann.
Ich blieb einige Minuten neben der Karre stehen, um unsere alte Bekanntschaft aufzufrischen.
Lőrinc klagte, dass auch über ihn schwere Zeiten hereingebrochen seien. Wo waren nur die glücklichen Jahre geblieben, da ich noch hier im Hotel logierte! Das Personal sei jetzt auf die Hälfte reduziert worden, der Lohndiener müsse Gepäck abladen, nachts Portierdienste leisten, ohne festen Lohn, nur für die lumpigen Prozente, und unter den Gästen fänden sich keine Gentlemen mehr, das ganze Dasein sei ein einziges Jammertal.
Da fiel er mir ein, der Traum des Lőrinc von einst.
»Ich habe kein Los mehr, gnädiger Herr, schon lange nicht mehr. Wer könnte sich in diesen Zeiten noch den Luxus leisten!«
Lőrinc seufzte tief. Und dann:
»Ich, bitte schön, überlasse es nun dem Schicksal, Rache für mich zu nehmen. Diese Herren reisen ja ständig herum. Mit dem einen entgleist der Zug, ein anderer wird nachts im Schlafwagen ermordet, der dritte ist fettleibig und ihn trifft der Schlag. Schließlich bekommen doch alle, was sie verdienen.«
(1933 geschrieben, 1951 erschienen)
Unter Ehrenmännern
Eine hagere Gestalt mit leicht vorgebeugtem Rücken bog in die Gasse bei den Palatinus-Gebäuden ein und eilte mit vernehmlichen Schritten das Trottoir entlang. Mitternacht war schon vorbei, in der einsamen Häuserflucht zeigte sich keine Seele mehr.
Und doch gab es in dieser Gasse noch eine weitere Seele oder zumindest die Hülle einer Seele: Ein Mann stand im Entree eines Hauses, das Gesicht dem Eingang zugewandt, als habe er bereits geläutet und warte nur darauf, dass der Hausmeister öffne.
Die einsam heimwärts strebende Gestalt schien in Eile, der Kopf wippte bei jedem Schritt nach links und nach rechts. Vielleicht setzte der Mann eine Diskussion für sich allein fort oder rief sich eine lustige Anekdote ins Gedächtnis, die er gerade im Kaffeehaus gehört hatte, von wo er jetzt zu später Stunde nach Hause ging; oder er spielte mit seinem Schatten, weil er allein war, Kind sein durfte, weil ihn niemand beobachtete.
In der großen Stille sprang aus dem Eingang des vierten Hauses eine Männergestalt hervor, kam dem sich Nähernden zwei Schritte entgegen und blieb jäh vor ihm stehen,
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