Krúdy, G u. Szerb, A u. Szép, E
die blassen grauen Wolken, die ich damit über die schwarze Tafel zog. Den Hasenfuß hielt ich in meiner Linken, mir war, als setzten sich seine durchtrennten Nervenbahnen in meiner Hand und über meinen Arm hinweg fort, und das Leid eines ausgelöschten Lebens, das in diesem Hasenfüßchen steckte, griff mir ans Herz. Doch ich war unschuldig, gar nicht neugierig auf Algebra, und von mir aus hätte der arme Hase hundert Jahre alt werden können.
(1941)
Wo liegt gleich wieder dieses Quebec?
Jeder Mensch hat in seinem Leben einen schönen Traum.
Auch in der Seele meines armen alten Freundes Lőrinc strahlte ein solch wunderbarer Traum, so als hinge von der Decke einer ärmlichen kleinen Kammer ein glitzernder Kronleuchter herab.
Unser Freund war Lohndiener in Pest, und zwar in einem stattlichen Hotel, wo ich selbst einige Jahre logiert habe, und zwar stets in der dritten Etage, die vom alten Lőrinc betreut wurde.
Ich schätzte Lőrinc’ Dienste und ihn selbst, wie auch er seine Aufgabe und stete Präsenz über die Maßen ernst nahm. Ich wüsste seinen Familiennamen gar nicht zu nennen, Kellner, fiedelnde Zigeuner, das gesamte Personal hatte damals nur Vornamen, man hieß Mari, Juliska oder Pista, Jóska oder eben Lőrinc.
Wie blind doch der Mensch in den Tag hineinlebt und wie gedankenlos! Vielleicht wird man mich dereinst im Jenseits dafür schelten, dass es mir nie in den Sinn gekommen ist, Lőrinc zu fragen, wo er geboren wurde, ob er Geschwister hatte, warum er alleinstehend war oder wann und wieso er sich für dieses Lohndienerdasein entschied, um dann für die ganze Welt der Domestik zu sein und jeden Morgen wildfremden Menschen die dreckigen Stiefel blank zu wienern.
Schuhe putzen, Kleider ausbürsten, die Gäste der Reihe nach wecken, jeden genau zu seiner Stunde oder Minute, die Koffer der Gäste auspacken, wenn diese ankommen, und einpacken, wenn sie abreisen. Tag für Tag, jahraus, jahrein, immer.
Für mich hat dieser Lőrinc nicht nur Schuhe geputzt, Kleider ausgebürstet, mich am Morgen, meist eher gegen Mittag, zum Leben erweckt, meine Handschuhe gewaschen, die Krawatten umgenäht, wenn sie ausfransten, er stellte mir auch meine Uhr, wenn ich vergessen hatte, sie aufzuziehen, musste mich pflegen, wenn ich die Influenza bekam, und er half mir aus, wenn ich blank war, gewährte mir aus purer Freundschaft kleine Kredite. (Dieses Geständnis macht mich in den Augen der Leserschaft gewiss nur noch vornehmer, weil es ja für gewöhnlich gräfliche und andere hochwohlgeborene Jünglinge sind, die ihren Kammerdiener anzupumpen pflegen.) Ich meinerseits habe Lőrinc gelegentlich Theaterkarten für seine freien Tage besorgt und ihm großmütig die noch nicht aufgeschnittenen Bücher überlassen, die als Leseexemplare an meine Adresse geschickt wurden. Auch ein paar Hüte und einen Überzieher hat Lőrinc in den Jahren, da wir unter einem Dach lebten, von mir geerbt, meine Anzüge und Schuhe hätten ihm nicht gepasst.
Der gute Lőrinc war ein stiller, in sich gekehrter Mensch, nie habe ich erlebt, dass er auf dem Korridor mit den Stubenmädchen ein Schwätzchen gehalten oder gelacht hätte, auch hörte ich ihn niemals vor sich hin summen oder gar pfeifen, wie es andere Lohndiener oder Kellner taten, während sie auf den verschiedenen Etagen ihrer Arbeit nachgingen. Lőrinc war sanftmütig und zurückhaltend, tratschte nicht und sprach überhaupt nur, wenn man ihn etwas fragte; ich kann über ihn nichts anderes sagen, als dass er für einen Lohndiener ein vollendeter Charakter war.
Und dennoch, es gab Tage, an denen dieser stille, gleichmütige Lőrinc lebhafter, heiterer war und sogar ein Lächeln auf den Lippen hatte. Er war sichtlich gehobener Stimmung, wie wenn man einen lieben Brief bekommt oder es draußen Frühling wird und Freude das Gesicht überzieht wie Sonnenstrahlen das Hotelfenster.
An einem solchen Tag fiel es mir ein, ihn zu fragen:
»Worüber freuen Sie sich so, Lőrinc?«
»Worüber, gnädiger Herr? Dass übermorgen wieder Ziehung ist. Ich fange schon drei Tage vorher an, mich auf das Glück zu freuen, gnädiger Herr.«
»Sie besitzen also ein Los der Lotterie?«
»Jawohl, und zwar ein ganzes. Hier habe ich es, gnädiger Herr, das ist die große Hoffnung meines Lebens.«
Aus einer abgegriffenen alten Lederbrieftasche zog er das grüne Los und sah es so verliebt an wie ein Bräutigam das Konterfei seiner Braut.
»Gott gebe, dass Sie gewinnen, lieber Lőrinc.«
»Ich werde
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