Krumme Touren in Texas
die sich zu einer
haarsträubenden Manie entwickelt hatte, las sie alles
über Verbrecher, was sie in die Finger kriegen
konnte. Eine Unterhaltung mit ihr bestand
gewöhnlich aus plastischen Schilderungen blutiger
Schießereien, großzügig gepfeffert mit Worten wie
Schränker, Ballermann, Engelmacher, Stricher,
Revolverheld, Polente, Ganove, Buchmacher und
Lude.
Ich grinste, wedelte mit einer aufgerollten Zeitung
in ihre Richtung und schlenderte zurück ins Haus, um
die Nachrichten zu lesen.
Hier passierte im großen und ganzen das übliche –
Mord,
Vergewaltigung,
Glücksspiel,
Raub,
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Geldschrankknacken und dergleichen. Die Szene im
Ausland allerdings erhitzte sich. Chinesische Flieger
hatten eine »erbitterte Luftschlacht« gegen Shanghai
am zehnten Tag des chinesisch-japanischen Krieges
ohne Kriegserklärung gewonnen. Ich las die Artikel
über diesen Krieg gern. Sie wimmelten von Wörtern
wie Yangtze, Nanking, Poontung und Whangpoo. Es
war schon komisch, diese Wörter schwarz auf weiß
gedruckt zu sehen. Für Südstaatenohren klangen sie
einigen sehr ähnlich, die selbst dem gestandensten
Lebemann die Schamröte ins Gesicht treiben würden.
Nachdem ich die Nachrichten überflogen hatte, las
ich die Witze und blätterte dann weiter zu den
Anzeigen. Die meisten waren unglaublich lausig und
offensichtlich von Leuten verfaßt, die als
Anzeigenschreiber angeheuert worden waren, weil
der Job, Affenscheiße im Zoo zu schippen, sie
intellektuell völlig überfordert hatte. Es gab
schwitzende Männer, die sich Sorgen über
Körpergeruch machten, und Frauen, die Lydia
Pinkhams Pflanzenöl literweise soffen. Um Himmels
willen! Dann kam eine knackige Anzeige – Gehen Sie
zu Dr. Waymon Stovall zur Behandlung von Prostata
und Mandeln. Das war zur Abwechslung mal ein
Mann, der es sich nicht leisten konnte, viele Fehler zu
machen.
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Waymon Stovall. Ich fuhr senkrecht im Bett hoch,
mein Herz raste. Es konnte nicht zwei davon geben.
Ich rollte mich auf den Boden, riß die Tür meines
Nachtschränkchens auf und schnappte mir das
Telefonbuch. Da stand es – Waymon Stovall, Dr.
med., privat Bayland Avenue 810, Praxis Main Street
1625. Warum hatte ich nicht früher daran gedacht, im
Telefonbuch nachzuschlagen?
Beim Wühlen im Nachtschrank hatte ich mir das
Knie verrenkt, deshalb humpelte ich in die Küche, um
zu medizinischen Zwecken eine Coca-Cola und ein
Stück Fondant einzunehmen. Nach einer ausgiebigen
Dusche warf ich mich in frisches Hemd und Hose
und schlüpfte in meine Schuhe, während ich durchs
Haus lief, um Anice einzufangen. Es war zu heiß, um
sie mitzunehmen, deshalb brachte ich sie zu Park und
Charlotte und rannte wieder runter, um eine
Taschenlampe und einige andere wichtige Utensilien
zu schnappen, inklusive der Dreyse Taschenkanone
Kaliber 25, die ich letztes Jahr in einer Pfandleihe in
der Innenstadt erstanden hatte. Sie war insgesamt
nur elfeinhalb Zentimeter lang und paßte bequem in
meine Hosentasche.
Auch mit offenem Ausstellfenster und so weit wie
möglich nach außen gekurbelter Windschutzscheibe
war es im Ford 36 affenheiß. Hitzewellen waberten
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träge in der Ferne wie eine alte Schnapsnase, die
glücklich lila Schlangen und weißen Mäusen zuwinkt.
Ich brauste auf der Fairview nach Osten, bog in die
Main Street und fuhr Richtung Norden bis zum Block
mit den 1600er Nummern. Vor dem Haus waren
keine Polypen, aber ich drehte eine Runde, um ganz
sicherzugehen, bevor ich vor den Beaconsfield
Apartments parkte.
Es waren viele Leute unterwegs, obwohl Sonntag
war. Männer spazierten in weißen Sommeranzügen,
weißen Schuhen und flachen, breitkrempigen
Strohhüten
herum,
begleiteten
Frauen
in
blaßfarbenen,
wadenlangen
Kleidern
und
hochhackigen Sandaletten. Sie kamen aus oder waren
auf dem Weg zu luftgekühlten Kinos und Hotels, um
sich bei Tee oder Cocktails Linderung von der
drückenden Hitze zu verschaffen.
Das Gebäude, das ich suchte, war an der
nordöstlichen Ecke der Kreuzung Pease und Main
Street. Es war ein vierstöckiger, moderner Bau aus
großen weißen Kalksteinquadern. Auf einem
schwarzen Schild, das über der Tür hing, stand in
weißer
Schrift
Ȁrztehaus
Houston«.
Die
Eingangstür aus Glas und Stahl war nicht
verschlossen, also betrat ich die hohe, schmale
Eingangshalle und marschierte zur Tafel an der
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Wand neben den Stahltüren des Fahrstuhls. Waymon
Stovalls Praxis war die
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