Krumme Touren in Texas
nackten Füßen, die
zur Musik zuckten. Seine Augen waren geschlossen,
und sein hellbraunes Haar hing ihm schlaff in die
Stirn, während sich seine Finger auf den Klappen auf
und ab bewegten. Ich erwog, hallo zu sagen,
entschied aber, daß es zu heiß war, um leeres Stroh
zu dreschen, also ging ich statt dessen in den
Vorgarten, um die Zeitungen einzusammeln. Ich
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nahm alle drei – The Chronicle, The Post und The
Times, das ist die, wo ich arbeitete. Ich las den
Chronicle und die Post, um sicherzugehen, daß mir
beim Berichten über das kriminelle Treiben in
Houston niemand den Rang ablief. Und glauben Sie
mir, es gab jede Menge zu berichten.
Bei uns waren die Ganoven nicht so schnieke wie
in Chicago oder im Osten, aber wir hatten reichlich
davon. Es gab immer noch Schwarzhändler, obwohl
die Prohibition seit vier Jahren aufgehoben war.
Schwarzgebrannter Fusel war steuerfrei und um
einiges billiger als der legale, und viele Leute kauften
lieber das billigere Zeug. Die Hauptaktivität der
hiesigen
Unterwelt
bestand
allerdings
im
Glücksspiel. Es gab eine Menge armer Leute, die
einen schnellen Dollar machen wollten, und die
Chance, beim Spielen reich zu werden, war da. Die
Aussicht auf Erfolg war minimal, aber die meisten
Leute brauchten dringend Geld, und das seit dem
Kurssturz an der Wall-Street 1929.
In Houston gab es für jeden etwas – Pferdewetten,
Buchmacher an jeder Ecke, Spielautomaten,
Murmelbahnen,
Lotteriebretter,
Würfelspiel,
Roulette, Blackjack, Bingo. Alles, was das Herz
begehrt.
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Und es gab Kredithaie, die fünfzig Prozent Zinsen
verlangten plus gebrochene Knochen für diejenigen,
die die Wucherzinsen nicht zahlten. Schieber
betätigten sich im Güterkraftverkehr, Verkauf,
Ölgeschäft, in der Schiffsbeladung, in Reedereien und
jeder anderen Branche in der Stadt. Sie waren
hereingekrochen wie Schimmel in ein altes,
verlassenes Haus. Und es gab keine Möglichkeit, sie
wieder loszuwerden. Die Geschäfte wurden ganz
oben gemacht, und Bestechung war an der
Tagesordnung.
Anders als die Gangster im Norden waren die
Gauner im Süden nicht organisiert, aber sie waren
stark genug, um die Banden fernzuhalten. Bei uns
gab es Schieber, Spieler, korrupte Polypen und auf
großem Fuß lebende Politiker statt »Familien«,
Banden und ehrenwerter Gesellschaften. Aber sie
arbeiteten alle zusammen. Nehmen wir zum Beispiel
die Spielautomaten. Sie waren gesetzeswidrig,
standen aber offen in jedem Laden in der Stadt – in
Cafés,
Drugstores,
Billardsalons
und
Lebensmittelgeschäften. Wer einen aufstellte, mußte
zum Gericht, um eine Konzession zu kaufen. Die
Gebühr betrug fünfzehn Dollar in der Woche pro
Automat – fünf für den Staatsanwalt, fünf für den
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Sheriff und fünf für das gute alte Houstoner
Polizeipräsidium.
Und ich schrieb darüber. Es war mein
Spezialgebiet.
Ich stand in meinem Vorgarten und sah mir die
Nachbarschaft an. Kleine alte Damen und Männer
mittleren Alters waren draußen, gossen ihre
Rasenflächen und rupften Unkraut aus, das in dem
subtropischen Klima über Nacht aus dem Boden
schoß. Wenn alle Leute Houston räumen würden,
brauchte die Natur nicht länger als fünf Jahre, um
sich ihren rechtmäßigen Besitz wieder unter die
Wurzel zu reißen – mit wuchernden Kletterpflanzen,
großen, schwarzen, mysteriösen Bäumen und
schmatzenden, sumpfigen Flußarmen.
»Hallo, Hollis«, kreischte die überschnappende
Stimme einer alten Dame aus dem Garten des
eingeschossigen, gelbbraunen Backsteinbungalows
gegenüber. Es dauerte einen Augenblick, bis ich sie
drüben bei ihren preisgekrönten Gladiolen entdeckte.
Sie war lang und dürr, hatte einen krummen Rücken
und dünne, graue Locken.
»Wie geht’s, Miss Mag?«
»Nicht übel. Mal wieder Gangster gesehen,
Hollis?«
»Andauernd, Miss Mag, andauernd.«
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»Ich habe Sie neulich drüben in der Huldy
gesehen, wie Sie mit den Polizisten geredet haben,
als bei diesem Buchmacherladen aus dem Fenster im
ersten Stock auf den Banditen geschossen wurde. Ich
dachte mir doch, daß in dem Haus ein Buchmacher
war. Seit Monaten erzähle ich Mrs. Frazier, daß diese
Leute nichts Gutes im Schilde führen. Seien Sie bloß
vorsichtig, Hollis, nicht daß Sie eines Tages
erschossen werden.«
Es war sonnenklar, daß sie ein makaberes
Vergnügen an der Aussicht hatte, irgendein
tollwütiger Killer würde mir die Lampe ausblasen.
Mit kaltblütiger Gier,
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