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Krumme Touren in Texas

Krumme Touren in Texas

Titel: Krumme Touren in Texas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Powell
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stülpten sich wegen
    eines schlecht sitzenden Gebisses nach außen. Er trug
    eine dunkle Brille und klopfte die Straße mittels eines
    schwarzen Stocks mit weißer Spitze ab. Ein
    Blechnapf hing an einer Strippe um seinen Hals.
    Wenn Paare vorbeigingen, stießen die Frauen ihre
    Begleiter an, deuteten mit einer Kopfbewegung auf
    den alten Mann und bestanden mit Pantomime
    darauf, daß er ein Almosen bekam. Während ich
    dasaß und zuschaute, sah es so aus, als würde er den
    Zaster nur so scheffeln.
    Er schlurfte zur Hauswand, um im Schatten zu
    stehen. Wenn er das Klingen von Münzen in seinem
    Napf hörte, entblößte er seine absolut regelmäßigen,
    falschen Zähne zu einem breiten Grinsen, nickte und
    sagte: »Danke, mein Herr, danke, mein Herr. Gott
    segne Sie.« Schließlich stellte er seinen Napf an die
    Wand, schmetterte »Camptown Races« und »Oh,
    Susannah« auf einer kleinen Mundharmonika und
    wackelte im Takt der Musik mit dem Kopf.
    Er gab gerade eine holperige Kurzversion von
    »When the Saints Go Marching In« zum besten, als
    der Mann, dem ich vor Dr. Stovalls Praxis einen
    Höllenschreck eingejagt hatte, den Gehweg
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    hinunterhastete. Er warf einen Blick auf seine
    Taschenuhr, die mit einer schweren Goldkette an
    einer Gürtelschlaufe befestigt war, und murmelte
    etwas vor sich hin. Er war wohl unterwegs zu einer
    Teegesellschaft und sagte sich: »Du liebe Zeit! Du
    liebe Zeit! Ich komme zu spät!«
    Er stürmte weiter, bis er nach vorn blickte und den
    alten Mann sah – da blieb er plötzlich wie angenagelt
    stehen. Sein rotes Gesicht wurde weiß, er schaute sich
    gehetzt um, machte dann auf dem Absatz kehrt und
    stürzte in die entgegengesetzte Richtung davon.
    Ich wurde wieder munter. Ziemlich interessant,
    die Geschichte. Ich würde sie nicht als so hochkarätig
    einstufen wie die Entführung des Lindbergh-Babys,
    aber sie war auf alle Fälle so seltsam, daß
    Nachforschungen angebracht waren.
    Ich stieg wieder aus dem Wagen und schlenderte
    zu dem alten Mann, der inzwischen mit
    watschelnden Schritten einen Softshoe zu seiner
    Musik tanzte.
    »Hallo, Cecil. Niemand hat mir erzählt, daß du
    jetzt blind bist. Was ist passiert – zuviel
    Selbstgebrannter Fusel, oder hat einer der Typen, die
    du reingelegt hast, dich erwischt und dir die Augen
    ausgeschlagen?«
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    Ein
    spitzer
    Quietscher
    entfuhr
    seiner
    Mundharmonika. »Sprechen Sie mit mir, Miss?«
    fragte er unschuldig und starrte geradeaus.
    »Ja, das tue ich«, säuselte ich. »Wer war der
    Witzbold, der gerade wie ein geprügelter Hund
    getürmt ist, als er dich hier sah?«
    Ein nett aussehendes Paar blieb stehen, um dem
    alten Mann Geld in den Napf zu werfen.
    »Bitte, Ma’am, ich bin nur armer, alter, blinder
    Mann, der versucht, genug Geld für kleines bißchen
    was zu beißen zusammenzukriegen. Bitte machen Sie
    sich nich’ lustig über mich, Ma’am.«
    Das nett aussehende Paar starrte mich wütend an.
    Ich lächelte ihnen traurig zu und schüttelte den
    Kopf. »Es ist in Ordnung. Ich bin von der ›Stern von
    Bethlehem Mission‹ in der Travis Street. Mr. Green
    ist das bedauernswerte Opfer einer seltenen und
    entwürdigenden Krankheit namens Mombasafieber,
    die er sich zugezogen hat, als er unserem Heiland im
    Kongo diente. Irgendwann wird er stocktaub sein,
    knallgrünen Ausschlag am ganzen Körper
    bekommen, und seine Genitalien werden auf
    Pekannußformat schrumpfen. Nicht die Texasgröße,
    wohlgemerkt. Kleine Pekannüsse. Sehr traurig. Um
    Ihnen die Wahrheit zu sagen, Mr. Green leidet
    inzwischen schon an einigen der Symptome.
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    Manchmal, wenn das Fieber steigt, irrt er umher, und
    wir müssen ihn suchen, um sicherzugehen, daß er
    wohlbehalten nach Hause kommt. Er ist keine
    ernsthafte Gefahr für andere, aber er neigt dazu,
    Menschen zu beißen, wenn sie ihm zu nahe
    kommen.«
    Sie wichen zurück und lächelten, ohne die Zähne
    zu zeigen, dann hatten sie es plötzlich eilig.
    »Wie wär’s, wenn du Leine ziehst, Hollis?« zischte
    Cecil. »Es lief ziemlich gut heute nachmittag, bis du
    aufgekreuzt bist.«
    »Wer war der Witzbold?« fragte ich und lächelte
    ihn ungerührt an.
    »Ich weiß nicht, wen du meinst.«
    »Hör auf mit dem Stuß, Cecil«, raunte ich ihm ins
    Ohr, »sonst rufe ich die Bullen und erzähle ihnen, wer
    letzten Oktober im Ben Milam Hotel das abgekartete
    Spielchen mit Senator Walker getrieben hat, ihn mit
    einer Frau zu ertappen, die angeblich deine
    Schwester ist, und ihn dann zu

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