Krumme Touren in Texas
verlogenes Maul. Sie hatte recht mit
Lily. Alles, was mit ihr zu tun hatte, war stets ein
gefundenes Fressen für die Presse. Sie war nicht nur
reich und schön, sondern auch nett – und obendrein
gehörte ihr die Times. Den ganzen Sommer lang
hatten alle Houstoner Zeitungen Kurzmeldungen
über ihre Reisen gebracht. Lily mit dem Herzog und
der Herzogin, Lily in der Villa Irgendwas
73
Unaussprechliches, Lily trug etwas, das irgendein
Spinner entworfen hatte.
Miss Mag ging zur Pforte, kam unaufgefordert in
den Garten, entriß mir den Schlauch und sprengte
beim Reden. »So wie ich die Sache sehe, verstecken
Sie sie vor der Polizei, das heißt, Sie glauben nicht,
daß sie den Mann umgebracht hat. Das heißt, Sie
versuchen herauszufinden, wer es getan hat. Und ich
kann Ihnen dabei helfen.«
Ich kniff die Augen zusammen und starrte sie
nachdenklich an. »Miss Mag, so was kann höchst
gefährlich werden. Wir spielen nicht das
Fingerhutspiel. Irgendwo läuft ein Mörder herum,
der vielleicht wieder zuschlägt, wenn er in die Enge
getrieben wird. Wir reden nicht über eine betrogene
Ehefrau, die ihren Mann in einem Wutanfall
erschossen hat. Wir reden von einem kaltblütigen
Mörder, der es einer Unschuldigen anhängen will.«
Sie leckte sich erwartungsvoll die runzligen alten
Lippen. »Das ist mir egal. Kommen Sie erstmal in
mein Alter, dann geraten Sie nicht mehr so schnell in
Panik. Ich schätze, das liegt daran, daß man nicht
mehr soviel Angst vorm Sterben hat wie in der
Jugend. Ich tue nichts anderes, als in diesem Haus da
zu sitzen und Mrs. Frazier zuzuhören, die über ihre
Eingeweide redet. Sie fängt oben an und arbeitet sich
74
runter – zuerst kommt das Herz, dann die Leber,
dann die Gallenblase, dann die Bauchspeicheldrüse,
und dann sind ihre Nieren dran. Am Nachmittag legt
sie mit den tieferen Innereien los, und offen
gestanden würde ich mich lieber abknallen lassen, als
mir das noch ein einziges Mal anzuhören.«
Ach ja. Mrs. Fraziers berühmte Organvorträge.
Das mußten wir alle hin und wieder über uns
ergehen lassen. Ich konnte Miss Mag nur zustimmen,
der Tod wäre eine willkommene Abwechslung, wenn
du dir das ständig anhören müßtest.
»Sie haben recht, Miss Mag, ich könnte Hilfe
gebrauchen.« Ich senkte die Stimme und warf rasche,
dramatische Blicke nach rechts und links. »Ich
benötige jemand, die verdächtige Vorgänge in der
Straße beobachtet. Sie wissen schon, was ich meine –
fremde Wagen, die in der Nähe parken, Leute, die
mein Haus beobachten, und so weiter. Außerdem
brauche ich Sie, um Park und Charlotte zu
beschäftigen und möglichst lange von der Flasche
abzuhalten. Vielleicht saufen sie Schwarzgebrannten
und machen eine Dummheit, gehen zum Beispiel aus
dem Haus. Park hat sich bereit erklärt, bei Charlotte
zu bleiben, aber jetzt brauche ich jemand, die ein
wachsames Auge auf ihn hat.«
75
Sie nickte grimmig, die Lippen fest geschürzt wie
ein Tabakbeutel. »Ich bringe ihnen Erbsen und
Wachsbohnen zum Auspulen rüber. Ich hab’ auch
noch etwas Rübenkraut, das gekocht werden muß,
und ein paar Kokosnüsse, die zu raspeln sind.«
»Perfekt.« Ich grinste boshaft in mich hinein bei
der Vorstellung, wie Park mit dem ausgewachsenen
Kater, den er heute haben würde, der Kochduft von
Rübenkraut in die Nase stieg. »Und vergessen Sie
nicht, reichlich Speck für das Kraut zu braten.«
Ich fuhr um die Ecke zur Hollyfield Wäscherei in der
Westheimer, ein langgestrecktes, flaches, einstöckiges
Gebäude mit rotem Ziegeldach. Das Büro war an
einem Ende, der Ladenraum für die Kundschaft am
anderen. In der Mitte befand sich die Wäscherei
selbst – eine riesige, offene Halle voller Maschinen.
Ich winkte den Frauen in den weißen Kitteln zu, die
dort arbeiteten. Sie lächelten, zeigten dabei jede
Menge Goldzähne und winkten zurück.
Ein Mann mittleren Alters mit rückläufigem
Haaransatz und schlaffem braunem Haar grinste
mich an, als ich hineinspazierte, um meine Wäsche
abzugeben. Wir quatschten ein paar Takte, bevor ich
fragte, ob er sich schon mal für einen Auftrag beim
Bezirk beworben hätte.
76
»Nö. Wozu auch? Sie wissen so gut wie ich, diese
Bewerbungen landen direkt im Papierkorb, und den
Zuschlag kriegen Leute, die die richtige Person
bestechen oder Verwandte haben, die beim Bezirk
arbeiten.«
»Wie die Smileys?« fragte ich.
»Genau, wie die Smileys. Vor neun Jahren, als ich
mit dem
Weitere Kostenlose Bücher