Krumme Touren in Texas
schütteres, graues Haar und trug ein
blasses, schlaffes Adamskostüm. Er hatte einen
überraschten Ausdruck im Gesicht, als wäre jemand
aus dem Gebüsch gesprungen und hätte »Buh«
gebrüllt. Wahrscheinlich derselbe Ausdruck, den ich
im Gesicht hatte.
Charlotte stand mit dem Rücken an der Wand und
zitterte sichtlich. Ihr bleiches Gesicht wurde langsam
grün. Sie hielt die Hand vor den Mund, dann stürzte
sie ins Bad und knallte die Tür zu. Ich zog das Laken
über den Mann und sah mich im Zimmer um. Seine
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Kleider hingen säuberlich über der Sprossenlehne
eines Stuhls am Fenster. Ich durchwühlte die Taschen
und fand ein Taschentuch, das ekelhaft feucht war,
ein paar Münzen und eine abgewetzte braune
Brieftasche, speckig vor Alter, die ihre Form dem
Körper des Mannes angepaßt hatte. Darin befanden
sich ein paar Scheine, ein kleines Foto von einer
ungepflegten Frau mittleren Alters mit drahtigen
Locken – und ein Führerschein, in dem stand, daß der
Mann Waymon Stovall aus der Bayland Avenue 810
war. Sein brauner Nadelstreifenanzug und die
abgetretenen Schuhe waren von Sears & Roebuck.
Das war’s. Ein schwacher Sandelholzparfümgeruch
hing im Zimmer. Ich schnüffelte an seinen Kleidern,
aber die strömten nur die Duftnote Schweiß aus, und
zwar reichlich.
Hinter mir ertönte ein dumpfes Plumpsen, und ich
drehte mich um. Charlotte lag platt auf dem Boden.
Ich stieg über sie hinweg ins Bad, ließ Wasser in ein
Glas laufen und spritzte es ihr ins Gesicht, bis ihre
Lider flatterten.
Ich führte sie ins Wohnzimmer und ließ sie auf die
Couch sacken. Sie saß da, käsig, und rieb sich mit den
Fingern die Stirn. Ich saß ihr gegenüber in einem
Sessel und wartete, schlug ein Bein übers andere und
wippte mit dem Fuß. Mit ihren einssiebzig war sie
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ein bißchen größer als ich. Sie hatte dichte,
schulterlange, schwarze Locken, ein blasses Gesicht,
schwarze
Augen
und
eine
Stimme,
die
normalerweise ruhig und monoton war. Ihr blau-
weiß kariertes Baumwollkleid war über die Knie
hochgerutscht. Sie zappelte vor Nervosität und
zupfte am Saum.
»Wo warst du heute abend?« fragte ich, als
glasklar war, daß sie nicht reden würde.
»Aus.«
»Das habe ich mir schon gedacht. Willst du mir
nicht sagen, was das alles zu bedeuten hat?«
»Ich weiß es nicht.«
»Du mußt irgendwas wissen. War irgendwann
heute abend noch jemand hier bei dir?«
»Nein, Hollis, ich habe doch gesagt, daß ich
ausgegangen bin. Ich kam nach Hause, und da war
er.«Sie rieb sich weiter die Stirn und sagte nichts
mehr. Als ich genug vom Zuschauen hatte,
schlenderte ich in die Küche, fand ein paar Aspirin,
schluckte zwei, entkorkte eine Flasche Bourbon auf
der Anrichte und nahm einen kräftigen Zug, bevor
ich zwei Gläser auftrieb und das Zeug mit Wasser
und Eis mixte.
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»Hier, trink das«, befahl ich. Sie nippte daran und
nahm das Aspirin. Ich setzte mich wieder hin, schlug
das rechte Bein übers linke und wippte mit dem Fuß.
Als das ein alter Hut wurde, wechselte ich und
wippte andersrum.
»Charlotte, wir können nicht einfach hier sitzen
und darauf warten, daß die Leiche verwest, zu Staub
zerfällt und verweht.«
Sie nickte und leerte ihr Glas. Ich goß nach.
»Wer ist er?«
Sie zuckte die Achseln.
»Wie ist er hierher gekommen?«
Sie zuckte die Achseln.
»Wer hat ihn umgebracht?«
Sie zuckte wieder die Achseln, aber jetzt zitterte
ihre Unterlippe.
»Schön. Versuchen wir es anders. Warst du den
ganzen Abend weg?«
»Ja.«
»Wann bist du nach Hause gekommen?«
»Kurz bevor ich dich angerufen habe.«
»Wo warst du?«
»Aus.«
»Ja, ich weiß. Das hast du schon erwähnt, aber
falls du es nicht bemerkt hast, in deinem Bett liegt
eine Leiche – eine fremde, schlaffe, männliche Leiche.
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Und er hat ein Loch im Kopf, das nicht daher
stammt, daß er gegen eine Schranktür geknallt ist.
Wir werden über kurz oder lang die Polizei rufen
müssen, und die werden nicht hier reinspazieren,
gütigst die Leiche entfernen und höflich sagen:
›Schönen Dank auch, Ma’am, und wenn Sie wieder
eine kugeldurchsiebte Leiche in Ihrem Schlafzimmer
finden, klingeln Sie einfach kurz durch, dann sind wir
sofort zur Stelle und schaffen sie Ihnen aus dem
Weg.‹ Rede mit mir, Charlotte!«
Sie fing an, ihren Mund mit der Faust zu
bearbeiten wie mit einem Hammer, um die Schreie
zurückzuschlagen. Ihre Augen waren geschlossen,
und Schweiß lief ihr in
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