Krumme Touren in Texas
Texaco-Tankstelle, die noch nicht
geöffnet hatte, stieg aus und spülte den Hundedreck
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von meinen Schuhen. Anice hopste raus, um sich
einen Schluck Wasser zu genehmigen, während ich
mich auf den Betonsockel neben die rote runde
Zapfsäule setzte und verschnaufte. Sie hüpfte herum
und prahlte, wie sie den anderen Hund in die Flucht
geschlagen hatte, während ich mir das Gesicht unter
dem Hydranten wusch. Sie redete nur davon, wieviel
Spaß es gemacht hatte, wohingegen ich mich fragte,
wie viele Jahre meines Lebens mich dieses kleine
Abenteuer gerade gekostet hatte.
Anice wollte auf dem Weg zu Charlottes
Wohnung einen Abstecher nach Hause machen, um
eine Notration Ingwerkekse zu holen, und als ich
nein sagte, blähte sie sich auf, starrte aus dem Fenster
und redete den Rest der Fahrt kein Wort mehr mit
mir.Ich rechnete halb damit, daß es hier von Polizisten
nur so wimmeln würde, aber die Gasse war immer
noch dunkel und still. Wir gingen die Treppe hoch,
und ich stöberte in Schubladen und unterm Bett auf
der Suche nach etwas, das Licht auf die Sache werfen
könnte. Nichts.
Da Charlotte als Buchhalterin zu Hause arbeitete,
nahm ich mir ihren großen Walnußschreibtisch sowie
zwei Holzaktenschränke vor und überflog mehrere
Aktenmappen, wurde aber nicht schlau daraus. Von
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den vielversprechendsten schnappte ich mir einen
Armvoll und brachte sie runter in den Kofferraum
meines Wagens, dann machte ich mit dem Filzen der
Wohnung weiter.
Nachdem ich vergeblich unter Kissen, hinter
Bildern, in Kleider- und Büroschränken gewühlt
hatte, rief ich schließlich die Polizei an. Es gab nichts
mehr zu tun, als zu warten, also gingen Anice und ich
raus und setzten uns auf die Stufen.
Nach fünf Minuten fuhr der erste Polizeiwagen
mit kreischenden Reifen in die Gasse. Zwei Männer
sprangen mit gezogenen Pistolen heraus und
näherten sich vorsichtig dem Haus. Die Sonne war
aufgegangen und strahlte mild. Noch hatte sie
keinerlei Ähnlichkeit mit dem weißglühenden Ball, in
den sie sich am frühen Nachmittag verwandeln
würde.
»Hallo, Toby! Guten Morgen, Brady!« schrie ich.
Ich stand auf und winkte den beiden uniformierten
Männern zu, die am Zaun entlangschlichen, der mit
Geißblatt und Weinranken überwuchert war.
»Hallo, Hollis. Du hast mich halb zu Tode
erschreckt. Was machst du hier? Hast du das
gemeldet?« Der jüngere, kürzere mit dem dicken
Bierbauch nahm seine Schirmmütze ab, um sich den
Schweiß von der Stirn zu wischen.
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»Meine Güte, Toby! Hast du dir die Haare
schneiden lassen oder einfach die Spitzen abgekaut?«
Ich zauste sein schwarzes Haar.
»Warum willst du mir nur immer das Leben sauer
machen, Hollis?« Toby grinste breit und sabberte
bloß ein bißchen Tabaksaft, den er taktvoll wieder in
den Mund schlürfte.
Wir quatschten immer noch, als der zweite Wagen
eintraf und Lieutenant Jerry Ingram ausstieg. Er hatte
O-Beine und einen Militärhaarschnitt, gemeine
Augen und dünne Lippen, die sich auf der rechten
Seite zu einem höhnischen Dauergrinsen verzogen.
Er bleckte die Zähne wie ein wütender Hund, als er
auf uns zuging. Entweder lächelte er, oder seine
Lippen klebten am Zahnfleisch fest. Die Augen in
seinem braunen Gesicht waren zusammengekniffen
und sahen aus wie zwei Zigarettenbrandlöcher in
einem alten Stiefel.
»Mist«, brummte ich. Die beiden Uniformierten
blickten mich mitfühlend an.
»Soso, na, wen haben wir denn da – Houstons
beliebteste Briefkastentante«, sagte Ingram laut und
rieb sich die Hände. Er wandte sich den Männern zu
und stierte sie an. »Habt ihr beiden Witzbolde nichts
Besseres zu tun, als hier herumzustehen und mit Miss
Carpenter zu schwatzen?«
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Nickend und kopfschüttelnd zugleich standen sie
da und murmelten betretene Jawohl-Sirs und Nein-
Sirs.»Schauen wir uns die Leiche an – mal sehen, was
wir hier haben. Ich hoffe, Sie retten den Tag für mich,
Miss Carpenter, und erzählen mir, daß Sie das
gemeldet haben.« Er saugte an seinen Zähnen und
rückte einen leuchtend orangefarbenen Schlips
zurecht, der seinem billigen braunen Zweireiher den
letzten Pfiff gab.
Mein Mut sank, als wir die Stufen zur Wohnung
hochstiegen. Ich wartete im Wohnzimmer, während
Ingram die Leiche in Augenschein nahm. Ich war
wohl daran gewöhnt, tote Leute zu sehen, aber ich
machte sie nicht extra ausfindig, um sie angaffen zu
können.
Als er aus dem Schlafzimmer schlenderte, grinste
er
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