Krumme Touren in Texas
Rinnsalen vom Kinn.
»Ich kann dir nicht sagen, wo ich war«, flüsterte
sie störrisch.
Ich holte tief Luft und setzte neu an. »Warum
kannst du mir nichts sagen? Warst du mit einer Frau
zusammen? Wenigstens das kannst du mir erzählen.«
»Ja.«
»Okay, jetzt kommen wir weiter. Warum darfst du
mir nicht sagen, wer sie ist? Ist sie verheiratet?«
»Nein.« Zum ersten Mal entspannte sich ihr
Gesicht etwas, und ihr Mund wurde weich. Sie warf
sich seitwärts auf die Couch, zog sich ein Kissen ans
Gesicht und weinte hinein.
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Als sie fertig war, reichte ich ihr das Glas und
fragte: »Hast du eine Pistole?«
»Ja«, sagte sie. »In der Schublade mit der
Unterwäsche.«
Ich ging zurück ins Schlafzimmer und
durchforstete ihre Kommoden.
»Dreimal darfst du raten«, sagte ich, als ich wieder
ins Wohnzimmer kam.
»Weg?« Sie riß die tränenfeuchten Augen auf.
»Warum passiert mir das, Hollis?«
»Ich weiß nicht. Ich kann dir nicht helfen, wenn du
mir nichts erzählst. Sag mir, wo und mit wem du den
Abend verbracht hast.«
Ihre Augen verengten sich zu einem starrsinnigen
Blick, der bedeutete, daß sie sich verschanzt hatte. So
hatte ich sie schon erlebt. Jetzt mit ihr zu streiten war
etwa so produktiv, wie mir mit dem Holzhammer
den Kopf einzuschlagen, aber nicht halb so lustig.
Ich starrte sie einige Sekunden schweigend an,
dann sagte ich: »Gut. Hol ein paar Klamotten und laß
uns hier verschwinden.«
»Wo gehen wir hin?«
»Wir gehen erstmal zu mir. Du kannst oben bei
Park wohnen, bis ich aus diesem Schlamassel schlau
geworden bin. Nimm genug Kleider für ein paar
Tage mit.«
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Zögernd machte sie einen Schritt Richtung
Schlafzimmer, dann drehte sie sich zu mir um, die
Hände hilfesuchend ausgestreckt. »Ich kann einfach
nicht nochmal da reingehen.«
Ich nickte. »Setz dich wieder hin, ich mach’ das.«
»Ich begreife nicht, wie du es da drin aushältst,
mit diesem Mann und dem Blut …«
Ich hob den Arm wie ein Verkehrspolizist. »Ist
gut. Du sitzt nicht gerade mit abgespreiztem kleinen
Finger Tee trinkend und Törtchen essend herum,
wenn du Kriminalreporterin für eine Stadtzeitung
bist. Ich hab’ schon Schlimmeres gesehen.«
»Mein Gott, mir wird schlecht«, sagte sie und
wurde wieder grün um die Nase.
»Nimm einen ordentlichen Schluck Whiskey und
denk an was Schönes, zum Beispiel an einen herrlich
kühlen Frühlingstag am See oder wie Adolf Hitlers
Hoden abgehackt und den Schweinen zum Fraß
vorgeworfen werden.«
Mit dieser Bemerkung verdrückte ich mich ins
Schlafzimmer, klaubte ein paar Sachen zusammen
und stopfte sie in einen Koffer, den ich im Schrank
gefunden hatte.
»Hast du meine Schminksachen?« fragte sie, als
ich ins Wohnzimmer zurückkam.
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»Zum Kuckuck, nein. Wir machen keine Ferien an
der Cote d’Azur. Du machst die Biege vor der
Polizei, falls es dir noch nicht aufgefallen ist. Bis ich
diese Sache in Ordnung gebracht habe, tust du nichts
weiter, als hinter geschlossenen Fensterläden in Parks
Wohnung zu sitzen. Niemand wird dich zu Gesicht
bekommen.«
Sie schnaubte: »Selbst wenn ich mich drinnen vor
der Polizei verstecke, habe ich deswegen ganz
bestimmt nicht vor, dazuhocken und wie eine alte
Schreckschraube auszusehen.«
Schließlich schafften wir es, zum Auto
runterzugehen – mit genug Kleidern und Make-up,
um für den Hundertjährigen Krieg gerüstet zu sein.
Als wir in meiner Wohnung waren, ging ich ins
Wohnzimmer zum Telefon und rief Park Lane an,
meinen besten Freund und Nachbarn über mir. Er
meldete sich mit frischer, hellwacher Stimme. An
seinem Ende der Leitung heulte es ohrenbetäubend.
»Was zum Teufel ist das für ein Krach?« brüllte
ich.»Ich staubsauge meine Küchenschubladen«, schrie
er.Heiliger Bimbam, warum immer ich? Ich warf
einen Blick auf meine Armbanduhr und sah, daß es
erst halb fünf morgens war. Wie stellte ich es bloß an,
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fragte ich mich, daß ich mir Freunde und
Freundinnen zulegte, die ihre Küchenschubladen
staubsaugen und ermordete Fremde in ihren Betten
finden?
»Könntest du mal einen Moment aufhören? Ich
muß dich um einen Gefallen bitten.«
Das Getöse erstarb unter lautem Wimmern und
hustendem Geschnaufe. »Worum geht’s?« fragte er
mißtrauisch. »Falls du mich beschwatzen willst, daß
ich wieder deine Sachen bügle, das kannst du
vergessen.«
»Nein, es geht um Charlotte. Du mußt sie eine
Weile verstecken.«
»Sie verstecken? Wovon in aller
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