Krumme Touren in Texas
Welt redest du?«
»Die Polizei sucht sie vielleicht in meiner
Wohnung, aber ich denke, oben ist sie gut
aufgehoben, wenn sie sich von den Fenstern
fernhält.«
»Die Polizei? Was hat sie angestellt – einen
Strafzettel für falsches Parken in Stücke gerissen?«
»Nein, ein Mann wurde in ihrem Bett ermordet,
und die Polizei wird glauben, sie hätte es getan. Hör
mal, machen wir jetzt ein Quiz, oder hilfst du uns?«
Das Telefon knackte, daß es mir in den Ohren
schepperte. Sekunden später donnerten Schritte die
Treppe hinter meiner Küche hinunter, die Küchentür
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flog auf und knallte zu, und Park schoß ins
Wohnzimmer wie von einer Zirkuskanone
abgefeuert.
Park Lane war einundvierzig, muskulös und
kräftig, hatte schwarze Haare, schwarze Augen und
einen bleistiftdünnen Schnurrbart. Er lebte wie ein
Prinz von einem Treuhandvermögen seiner
Großmutter, die ihn abgöttisch liebte und eine
mittelgroße Ölgesellschaft in der Stadt besaß. Seit
zwanzig Jahren hatten er und ich uns laufend in der
Wolle, wer von uns beiden größer war. Wir stritten
auch über Politik, Religion und jedes andere Thema,
das Ansichtssache und nicht Tatsache war. In einem
Punkt waren wir uns einig – ich hatte mehr Haare.
Er trug eine lila-gold gestreifte Pyjamahose und
ein ärmelloses weißes T-Shirt. Die Pyjamahose kam
mir bekannt vor.
»Ist das mein Pyjama?« fragte ich argwöhnisch.
Sein Mund schloß sich fest, die Unterlippe schob
sich schmollend vor, und mit bebenden Nasenflügeln
und klimpernden Wimpern parodierte er eine
Hollywood-Sexbombe. »Ja«, sagte er und drehte den
Kopf, um sein Profil zu zeigen und eine nur in der
Phantasie existierende, lockige Mähne aus dem
Gesicht zu werfen.
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»Großartig«, schnaubte ich verärgert und nahm
Kurs auf was Flüssiges.
Park stellte sich auf die Zehenspitzen und hüpfte
Pirouetten drehend auf Charlotte zu.
»Demnächst vergißt du noch, wo du bist, und
machst das in der Sporthalle vor deinen Kumpeln –
die werden staunen«, warnte ich ihn. Park war
Leichtgewichtamateurboxer gewesen, der jemanden
eintüten konnte, der doppelt so groß war wie er.
Obwohl er den Ring aufgegeben hatte und
inzwischen Schauspieler an einer städtischen Bühne
war, trainierte er immer noch in einer Sporthalle im
Waugh Drive.
Er streckte mir die Zunge raus und machte mit
seiner Ballettnummer weiter, bis Charlotte lachte.
»Gott sei Dank!« rief er aus und wischte sich mit dem
Handrücken den Schweiß von der Stirn. »Ich dachte
schon, ich müßte mir ein Kleid anziehen, um dich
zum Lachen zu bringen. Könnte mir jemand um
Himmels willen einen Drink geben und erklären, was
los ist!«
Ich gab ihm ein Glas und setzte ihn ins Bild.
»Allmächtiger Herr im Himmel!« schrie er. »Wer
in aller Welt sollte so was tun, und warum?«
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»Ich wünschte, ich wüßte es«, sagte Charlotte,
schon lockerer, seit sie seiner Selbstparodie
zugeschaut hatte.
Da ich dachte, sie könnte ihre Meinung übers
Reden geändert haben, fragte ich sie wieder, wo sie
die letzte Nacht verbracht hatte.
»Ich kann es dir nicht sagen, Hollis.« Ihre Lippen
waren versiegelt wie eine verschlossene Auster.
Park hob eine Augenbraue und warf mir einen
kurzen Seitenblick zu, um zu signalisieren, daß er sie
bearbeiten würde, wenn er sie in seiner Wohnung
hatte.
Ich seufzte müde, gab ihnen Anweisungen, stand
auf und ging zur Haustür. Anice tänzelte
wichtigtuerisch neben mir her.
»Wo willst du hin?« fragte Charlotte
schuldbewußt.
»Jemand muß losziehen und herausfinden, was
zum Geier passiert ist, damit deine Wenigkeit nicht
so tief in den Kerker geworfen wird, daß wir dir
Sonnenlicht runterpumpen müssen. Es wäre hilfreich,
wenn ich ein paar Anhaltspunkte hätte – zum
Beispiel, wo und mit wem du unterwegs warst.«
Sie hatte diesen Blick, den alle Märtyrer aufsetzen
– er weckt das Verlangen, ihnen ein paar Kopfnüsse
zu verpassen.
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»Ich möchte ja nicht das Thema wechseln«, warf
Park ein, »aber hast du was Neues von Lily gehört?«
»Ja«, knurrte ich und stampfte kurzerhand hinaus,
ohne Adieu zu sagen.
»Au weia«, hörte ich ihn murmeln, als ich die Tür
zuknallte.
Lily ist meine Liebste. Sie ist vor drei Monaten mit
einer verdrehten Cousine nach Frankreich gefahren.
Letzten Winter war die Cousine so blöd gewesen,
mit einer Pfeife von Anwältin aus Chattanooga,
Tennessee, anzubandeln, die sie prompt wegen
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