Krumme Touren in Texas
einer
Schlangenfrau
stehenließ,
die
mit
einem
Wanderzirkus in die Stadt kam. Lily war mit der wie
vor den Kopf geschlagenen Betrogenen nach Paris
gereist, damit die sich von ihrem Kummer erholen
konnte – und von der Peinlichkeit, wegen eines
Weibsbilds sitzengelassen zu werden, die mit ihren
Pastetchen wackeln konnte wie ein Paar Eselsohren
im Fliegenschwarm.
Kaum war Lily in Paris angekommen, hatte
jemand sie dieser blasierten Spinnerin Gertrude Stein
und deren Geliebter mit dem spitzen Gesicht
vorgestellt. Jetzt war Lily also überm Teich und haute
mit einem Haufen auf Künstlerin machenden Typen
und Erbinnen auf den Putz, die keinen einzigen Tag
in ihrem Leben gearbeitet und nichts anderes zu tun
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hatten, als herumzuhängen und sich hochtrabend
über Kunst, Literatur und den Spanischen
Bürgerkrieg auszulassen. Alle paar Tage bekam ich
einen Brief oder ein Telegramm, in dem es um
irgendeine Villa ging, in der sie gerade wohnte, oder
irgend etwas Schlaues, das jemand gesagt hatte. Ich
sah sie regelrecht vor mir – eine Blase kubistischer
Intellektueller mit vorstehenden Zähnen und dünnen
Haarbüscheln, die herumhingen und sich gegenseitig
mit großen Worten und zusammengewürfelten
Gemälden blauen Dunst vormachten.
Ich war froh, daß sich drüben in Europa jemand
großartig amüsierte. Einige von uns mußten
hierbleiben und weiter mit den Ganoven, Betrügern,
Glücksspielern, Mördern und korrupten Polypen
fertigwerden. Der springende Punkt war, Lily war
seit über drei Monaten weg, und ich wurde
allmählich etwas gereizt.
Ich rammte den Starter rein, brachte den Ford auf
Touren und brauste mit unnötig kreischenden Reifen
die Straße nach Norden, Richtung Heights. Ich nahm
den Waugh Drive und überquerte den Buffalo Bayou,
bevor ich nach Osten bog und mich zur Bayland
Avenue durchschlängelte. Der Nachthimmel wurde
heller und sah wie ein Gemälde von Maxfield Parrish
aus, als ich den Wagen gegenüber von Bayland
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Avenue 810, einem kleinen, grauen, viktorianischen
Holzhaus, parkte.
»Du bleibst hier«, flüsterte ich Anice zu, als ich
ausstieg und leise die Tür schloß. Ich huschte über die
Straße und spähte durch die Fenster auf der linken
Hausseite ins billig möblierte Wohnzimmer. Geduckt
schlich ich über die Vorderveranda zur anderen Seite.
Ich hob den Kopf nur so weit, daß meine Augen über
den Fenstersims linsten. In einem Doppelbett
schnarchte leise eine Frau mit Krauskopf. Mrs.
Stovall, nahm ich an, die Frau des toten Mannes. Das
Interessanteste im Zimmer allerdings war die
dänische Dogge, die fünf Zentimeter vor meiner
Nase stand. Sie betrachtete mich dabei, wie ich sie
betrachtete. Ich erstarrte. Ihre Oberlippe glitt
langsam über die Reißzähne zurück, während sich
seine Schnauze runzelte und seine Augen sich zu
Schlitzen verengten. Ein Rumpeln wie von einem
entfernten Zug ertönte tief in ihrer Brust und kam in
Fahrt, als es in ihrer Kehle hochstieg. Ich wartete
nicht ab, wie es sich anhören würde, wenn sie das
Maul aufmachte.
Ich machte kehrt und rannte, wobei ich in einen
Hundehaufen trat, der so groß war, daß römische
Senatoren sich davorstellen und Reden über Cäsar
hätten halten können. Ein stechender Schmerz fuhr
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mir durchs rechte Knie, als ich vom Bordstein sprang
und zum Wagen hechtete. Ich hielt mich nicht mit
der Tür auf. Durchs Fenster ging es schneller – ich
tauchte durch wie ein Baseballspieler auf dem Weg
zur Heimbase. Irgendwie schaffte ich es, richtig
herum hochzukommen, ließ den Motor an und hob
ab, als gerade das Verandalicht am grauen Haus
anging. Anice hing aus ihrem Fenster und bellte wie
wild die dänische Dogge an, die das Fliegengitter
vom Fenster gefetzt hatte und auf der Straße hinter
uns her raste. Mein Herz fühlte sich an, als hätte es
seit dem Prozeß gegen den Lehrer Scopes, der Kinder
aufklärte, daß der Mensch vom Affen abstammt,
keinen Schlag mehr getan. Ich war völlig in kaltem
Schweiß gebadet, als wir die Kurve auf zwei
kreischenden Reifen nahmen, und trat das Gaspedal
bis zum Anschlag durch. Wahrscheinlich konnte sich
die dänische Dogge nicht durch den ganzen Wagen
fressen, um zu uns vorzudringen, aber bei dem
Versuch würde sie schätzungsweise das komplette
Heck mitnehmen.
Verdammt und zugenäht, warum hatte ich nicht
gleich eine Kanone abgefeuert, damit alle
mitkriegten, daß ich in der Gegend war?
Ich hielt an einer
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