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Kruzifix

Kruzifix

Titel: Kruzifix Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Xaver Maria Gwaltinger
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schienen alle zufrieden. Adolf war an Prostatakrebs gestorben, Toni an den Folgen einer paranoiden Schizophrenie, er hatte sich selbst verstümmelt und war dann verblutet und zusätzlich noch verbrannt. Laut Polizei.
    Nirgends wird so viel gelogen wie am Grabe. Ich wusste das aus Erfahrung.
    Mir langte es. Ich wanderte wieder hinauf auf meine Alm.
    Ruhe wollte ich.
    Die letzte Pflicht noch hinter mich bringen.
    Auf dem Weg rief ich mit dem Handy meinen Auftraggeber an.
    Er war sofort dran. Ich sagte:
    »Bruder Rössle, Mission erfüllt. Ich weiß, was los war, ich kann Ihnen Bericht erstatten … Ja, Samstag ist gut. Ich stell einen Augustiner Edelstoff bereit, und Sie bringen den Tanqueray No. 10, den Sie gegen mich verwettet haben … Bevor Sie auflegen: Da ist noch ein kleines Problem. Mit den Ausgaben. Wahnsinnige Ausgaben sind angelaufen … Für was? … Ja für besondere Zahlungen, ich kann Ihnen das am Samstag erklären … Noch mal zehntausend Euro … Nein, zusätzlich … Doch, können Sie schon. Sie sitzen doch an der Quelle. Außerdem sitzen Sie in der Scheiße. Ich habe Sie mit einer hübschen Frau gesehen. Bussi, Bussi. Mehr als einmal. Mein Handy kann auch fotografieren. Schöne Bilder … Tun S’ nicht so rum, ist ja keine Schand, ein bisschen jung ist sie halt, die Frau Dr.   Vasthi Graf. Könnte Ihre Tochter sein … ich mein, rein vom Alter her … aber Sie können ja keine Tochter haben, Zölibat. Spart eine Menge Ärger. Also? … Ja, warum denn nicht gleich, ich hab doch gewusst, dass Sie ein Mann sind, mit dem man ins Geschäft kommen kann. Zwanzigtausend plus Spesen. Und den Tanqueray nicht vergessen.«
    Er hatte aufgelegt. War wohl nicht sein humorvoller Tag heute.
    Aber er wird entschädigt werden, dachte ich. Er wird sich wundern …

Offenbarung
    Ich sah ihn schon aus der Ferne. Wo der Weg nach der letzten, der steilsten Steigung den Wald verlässt und flacher zur Alm hin ausläuft. Die Stelle, wo ich im Winter immer mit dem Auto im Schnee stecken bleibe. Die Stelle, wo ich fast unter den Mähdrescher geraten wäre und ein Piercing am Ohr davongetragen habe.
    Er hatte einen Trachtenhut auf. Tarnung?
    Rucksack. Mit dem Geld und dem Gin drin?
    Er wischte sich mit dem Taschentuch den Schweiß aus dem Gesicht. Er hatte noch eins. Ich hatte meines bei meinem heldenhaften Notfalleinsatz verloren. Macht einen Euro fünfzig mehr Spesen.
    Er begrüßte mich überraschend rustikal:
    »Kruzifix, ist das eine Hitz!«
    »Grüß Gott, Bruder Rössle. Setzen Sie sich her zu mir in den Schatten. Eine kühle Blonde wartet schon auf Sie.«
    Er lachte.
    »Sie mit Ihren Weibergeschichten, Bruder Bär!«
    Brüder waren wir geworden.
    Kain und Abel waren auch Brüder.
    Ich sagte:
    »Wie wär’s, wenn wir eine kleine Wanderung nach Oberberg machen? Im Gehen redet sich’s leichter. Auf dem Kamm entlang, links Kempten, rechts Neuschwanstein. Ungefähr.«
    »Schöne Aussichten«, sagte er.
    Nach zwei kühlen Blonden sagte ich:
    »Gehen wir?«
    »Ja, gehen wir!«
    Ich zog mir meine Wanderschuhe an.
    Er zog sich seine Wanderschuhe aus.
    »Ich dachte, wir gehen.«
    »Klar gehen wir.«
    »Und die Schuhe?«
    »Ich geh barfuß.«
    »Barfuß?«
    »Ja, am liebsten.«
    »Da kommen aber auch Steine und Asphalt und Geröll und Disteln …«
    »Wissen S’, Bruder Bär, als Bub waren Schuhe ein Luxus. Wir Kinder sind den ganzen Sommer und den halben Winter nur barfuß gelaufen … Das bleibt!«
    »Sie haben’s gut gehabt. Ich durfte nicht barfuß laufen. Meine Mutter hat mich eher städtisch und vornehm erzogen.«
    Er lachte laut auf.
    »Städtisch und vornehm … Davon ist aber nicht viel geblieben, außer den Schuhen an den Füßen!«
    Ich überhörte den Seitenhieb. Auf die Erziehung meiner Mutter lasse ich nichts kommen. Auch wenn er recht hatte. Quod licet Iovi non licet bovi . Was dem Göttersohn erlaubt ist, darf der Dorfdepp noch lange nicht. Mit seinem blöden Gelache.
    Wir machten uns auf den Weg. Ich mit Schuhwerk, er barfuß.
    »Also«, sagte er.
    »Also«, sagte ich. »Der Fall ist aufgeklärt.«
    »Wie ist der Theo gestorben?«
    »Unnatürlich. Für einen Menschen unnatürlich. Für ein Schwein natürlich.«
    »Versteh ich nicht.«
    »Er ist mit einem Schweineschlegel erschlagen worden. Fachmännisch.«
    »Ach da schau her …«
    Er tat, als hätte er gerade das Evangelium vernommen. Fragte hochinteressiert:
    »Von einem Profi?«
    »Ja, in etwa. Von einem Metzger. Aber eines nach dem anderen. Er hat sich

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