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Kruzifix

Kruzifix

Titel: Kruzifix Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Xaver Maria Gwaltinger
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Tuch auf dem Boden, »in der Hand und lauf durch den Regen. Auf einmal steh ich hier vor der Alm.«
    »Hat dich jemand gesehen?«
    Sie schüttelt den Kopf.
    »Bei dem Sauwetter. Mitten in der Nacht. Unser Haus ist ja gleich am Weg rauf.«
    »Und der Toni liegt im Bett. Er verblutet.«
    »Hoffentlich.«
    »Und wenn’s rauskommt, sperren sie dich ein.«
    »Und wenn schon.«
    »Und dein Kind? Deine Kinder? He! Wach auf! Deine Kinder brauchen dich daheim, nicht im Knast!«
    »Was soll ich machen?«
    »Du machst jetzt, was ich dir sag! Komm, ins Auto.«
    Ich nahm sie an der Hand und zog sie hinter mir her. Bevor wir im Auto saßen, ich in T-Shirt und Boxershorts, waren wir klatschnass.
    Ich sagte:
    »Hör gut zu. Es geht um deine Kinder, nicht nur um dich! Wir fahren runter. Du gehst ins Haus, ziehst dich ordentlich an, machst die Küche sauber, schaust nach den Kindern. Okay?«
    »Okay.«
    »Und ich kümmer mich um das andere.«
    Als ich den Toni in seinem Gartenhaus sehe, ist mir klar, dass er schon hinüber ist. Er liegt in einer riesigen Blutlache, die das ganze Bett durchtränkt. Schnapsflaschen stehen daneben. Sein Gesicht ist käsweis, eingefallen, die Nase spitz, eine Sterbenase, mit der Lücke unter seiner Oberlippe sieht er aus wie ein Biber ohne Vorderzähne. Eine aufgerissene Packung Viagra liegt hingeworfen auf dem Bauernhocker neben dem Bett.
    Ich zieh meine Hygienehandschuhe aus dem Sanitätskasten im Auto an.
    Wische das Messer mit dem regennassen Tuch ab, die Schneide, den Griff.
    Drücke dem Toni seinen abgeschnittenen Schwanz in die lasche Hand.
    Das Metzgermesser in die andere.
    Gieße eine Flasche Schnaps ins blutige Bett. Bloody Mary!
    Schütte dem Toni noch einen Schuss Schnaps ins Maul.
    Er tropft seitlich raus.
    Stecke eine von Tonis Zigaretten an, stecke sie in seinen Mundwinkel.
    Es kommt keine Luft mehr raus.
    Der Zigarettenrauch steigt auf. Wie Weihrauch.
    Dann ging ich zurück ins Haus, in die Küche.
    Toni hatte sich wieder gefangen.
    »Und jetzt?«, fragte sie.
    »Der Toni ist nicht mehr zu retten. Du musst dich retten. Pass auf, hörst du?«
    »Ja!«
    »Pass genau auf und tu genau, was ich dir sage: In ein paar Minuten brennt das Gartenhaus. Schau hinüber. Sobald du Rauch oder Feuer siehst, rufst du die Feuerwehr. Damit dein Haus nicht auch noch abbrennt. Tipp die Nummer in dein Handy. 112.«
    Sie tippte die Nummer ins Handy. 112.
    »Sobald du siehst, dass es zu brennen anfängt, drückst du drauf. Die Feuerwehr wird gleich da sein, ist ja gleich um die Ecke.«
    »Und wenn sie fragen?«
    »Du brauchst nicht zu lügen. Aber du darfst die Geschichte nur von da an erzählen, wo er die Küche verlässt und in sein Gartenhaus geht. Oder am besten: Er ist total besoffen heimgekommen und in sein Gartenhaus getorkelt. Du hast geschaut, dass die Kinder schlafen. Dann hast du gesehen, wie es brennt. Das ist die Kurzfassung. Mehr ist von Übel. Ich komm auch nicht vor in der Geschichte. Klar?«
    »Ja. Klar. Er kommt besoffen heim und geht ins Gartenhaus. Ich schau nach den Kindern. Dann seh ich das Gartenhaus brennen und ruf sofort die Feuerwehr.«
    »Richtig. Ich muss jetzt sehen, dass ich weiterkomm. Meinen Arsch in Sicherheit bringen. Servus.«
    »Servus.«
    Ich sagte noch:
    »Denk an die Kinder. Und an den Theo. Dass der nicht umsonst aufgehängt worden ist.«
    »Du weißt das alles?«
    »Alles. Aber nix kommt raus. Denk dran, das gilt für uns beide. Nicht lügen. Nichts erzählen. Nichts als die Wahrheit. Aber nicht die ganze.«
    Ich setzte mich in meinen Golf. Es schüttete. Ohne Licht fuhr ich hinauf. Gleißende Blitze erhellten die Kühe, die regungslos im Regen standen.
    Weine nicht, wenn der Regen fällt, tam tam, tam tam.
    Nach ein paar Metern beschlugen sich die Scheiben. Ich kurbelte das Fenster runter.
    Ich hörte eine Feuerwehrsirene.
    Wohltätig ist des Feuers Macht.
    Der Regen tat gut.
    Ich sperrte die Alm ab.
    Nicht mehr nötig, dachte ich. Jetzt bin ich wieder in Sicherheit.
    Trotzdem.
    Ich duschte heiß. Lang.
    Kriegte Durchfall.
    Trank Schnaps.
    Zog ein frisches T-Shirt an.
    »Drei-Länder-Marathon Bodensee«.
    Wo die Welt noch in Ordnung ist.
    Eine frische Boxershorts.
    Legte mich ins Bett.
    Endlich in Sicherheit einschlafen.
    Ich schloss die Augen.
    Dann packte mich ein Schüttelfrost.
    Dachte mit letzter Kraft: Ich muss dafür sorgen, dass die Toni einen Aids-Test macht. Morgen. Als Erstes.
    Vom Tal herauf hörte ich die Feuerwehrsirene. Dann die Polizeisirene. Dann den

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