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Kryptum

Kryptum

Titel: Kryptum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agustín Sánchez Vidal
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Schultern.
    Kaum hat Pacheco ihm jedoch den Rücken gekehrt, sieht Rafael in seinem Versteck, wie Zenturio seine Hand drohend zur Faust ballt und brummt:
    ›Verfluchter Gaukler oder was immer du bist! Du wirst schon noch sehen, was dich erwartet.‹«
    Die ganze Zeit über hat Ruth Rafaels Erinnerungen genüßlich vor Randa ausgebreitet und ihm dabei hin und wieder ein Lächeln zugeworfen, das er stets amüsiert erwidert hat. Doch jetzt weiß sie ihre Neugier nicht mehr länger zu zähmen.
    »Warum habt Ihr Euch damals als Gaukler verkleidet und Euren Namen geändert?« fragt sie ihren Vater.
    »Mein Kind, das gehört zum Wesen eines geheimen Kuriers und Spions:sich als ein anderer auszugeben, als der man ist, damit niemand deine Absichten errät. Ich wollte so schnell wie möglich Calderóns Vertrauen gewinnen, um mich frei in seinem Palast bewegen und herauszufinden zu können, welches Geheimnis die Casa de la Estanca birgt, nach dem alle Welt zu gieren schien. Ich konnte ihm jedoch nicht erzählen, daß mich der Kaiser schickte oder daß ich aus Konstantinopel kam. Meine Mission war streng vertraulich, und ich wußte damals ja auch noch nicht, auf wessen Seite Don Manuel stand.
    Auf meinem Ritt von Yuste nach Antigua hatte ich lange darüber nachgegrübelt, wie ich es bewerkstelligen sollte, daß er mir vertraute, aber ich hatte keine richtige Lösung gefunden. Bis ich in Talavera, wo ich Rast machte, ein paar Zigeunern mit zwei dressierten Eseln begegnete. Sie gaben auf dem dortigen Marktplatz das gleiche Spektakel, das du eben so anschaulich beschrieben hast. Da zuckte mir plötzlich ein Gedanke durch den Kopf, und ich lud sie zum Essen ein, bei dem ich sie fragte, ob ich ihnen nicht einen abkaufen könne. Wir wurden uns schnell handelseinig, und beim Abschied nannten sie mir noch Zenturios Namen, der sie in Antigua immer vor tätlichen Angriffen beschützen würde, wofür er den zehnten Teil ihrer Einkünfte verlange.
    |248| Nicht gerechnet hatte ich allerdings mit Rafael Calderón. Kaum sah ich ihn, war mir klar, daß er alles ziemlich schwierig machen würde, im guten wie im schlechten Sinne. Und die Geschichte ist inzwischen sogar so verwickelt, daß du heute seine Frau bist und ein Kind von ihm unter dem Herzen trägst«, erklärt Randa schmunzelnd und blickt seine Tochter zärtlich an, bevor er mit seiner Erzählung fortfährt.
    »Als mich Doña Blanca und Don Manuel damals im Palast der Casa de la Estanca aufnahmen, hoffte ich offen gestanden, mich dort, im Haus meiner Kindheit, mit meinem Schicksal aussöhnen zu können. Zunächst verfiel ich jedoch in tiefe Melancholie. Es befremdete mich, daß unbekannte Menschen dieselben Räume bewohnten, in denen wir, meine Familie und ich, geschlafen und gegessen hatten, während ich in eine Dienstbotenkammer verbannt war. Ich fühlte mich wie ein Fremder im eigenen Haus, und ein anderer nahm nun den Platz des verwöhnten Kindes ein, das ich einmal gewesen war. Aber der kleine Rafael war ein so liebes und aufgewecktes Kerlchen, daß sich diese Eifersüchteleien bald legten und ich ihn ins Herz zu schließen begann.«
    »Und Ihr tatet gut daran, denn er wollte weder Don Manuel noch Doña Blanca je erzählen, was er bei der Klause gesehen hatte. Nicht nur, weil er damals noch nicht verstand, was er gehört hatte, es wollte ihm einfach auch nicht in den Kopf gehen, daß Ihr wirklich Zenturios Komplize sein solltet.«
    »Welch köstliche Vorstellung: ich, ein Spießgeselle von Zenturio! Doch lassen wir das. Wo war ich stehengeblieben?… Nun, auch Don Manuel lernte ich mit der Zeit schätzen, nachdem ich mich einmal davon überzeugt hatte, daß er mit der Versetzung meines Vaters nach Andalusien nichts zu tun gehabt hatte. Die Casa de la Estanca schien ihm nicht einmal viel zu bedeuten, er sorgte für die Wartung und verwaltete sie im Dienste Seiner Majestät, nicht mehr und nicht weniger. Und mein Vater hatte es genauso gesehen. Eigentlich waren es nicht ihre Bewohner, sondern immer andere, die danach lechzten, hinter das Geheimnis der Casa de la Estanca zu kommen.«
    |249| »Und warum?«
    »Das habe ich mich oft gefragt und mich dabei an die seltsamen Geräusche erinnert, die ich in meiner Kindheit immer aus ihren Kellergewölben vernommen hatte. Deshalb begann ich eines Nachts, als die übrigen Dienstboten und die Calderóns längst schliefen, die Kellerräume mit großer Vorsicht zu erkunden. In meiner Kammer hatte ich eine Öllampe versteckt, die ich mit der Glut

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