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Kryptum

Kryptum

Titel: Kryptum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agustín Sánchez Vidal
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zumal er nur in diese Lage geraten sei, weil er ihnen geholfen habe. Von ihren Worten ermuntert, kann der junge Mann sich bald wieder ohne große Schmerzen bewegen und sein Krankenlager verlassen. Als Calderón merkt, daß er ein gebildeter Mensch ist, überträgt er ihm nach und nach leichte Aufgaben, und vor allem vertraut er ihm die |245| Erziehung seines Sohnes Rafael an, der langsam in das Alter kommt, lesen und schreiben zu lernen.
    Nach wenigen Wochen ist Pacheco so weit wiederhergestellt, daß er das Haus verlassen kann, und eines schönen Tages bittet er seinen Herrn um Ausgang. Don Manuel gewährt es ihm, rät ihm jedoch, vorsichtig zu sein; Zenturio hat sich zwar seit seiner Missetat nirgendwo mehr blicken lassen, aber für alle Fälle will Don Manuel ihm einen Dienstboten überlassen, der ihn begleiten und, falls erforderlich, verteidigen soll. Doch Pacheco lehnt das Angebot dankend ab und macht sich alleine auf.
    Er spaziert zum Fluß hinunter und überquert die Brücke in Richtung
Barranco del Moro,
der Maurenschlucht. Rafael, der mit anderen Kindern im Wasser planscht, sieht ihn aus der Ferne und ruft laut nach ihm. Doch er ist zu weit weg, er hört ihn nicht. Flugs trocknet sich der Junge ab, schlüpft in seine Kleidung und klettert die Uferböschung zur Brücke hinauf. Oben angekommen, schlägt er durch die Schlucht den Weg zu einer der Einsiedeleien der Umgebung ein, wohin er Pacheco hat verschwinden sehen. Im Schutz des hohen Schilfs, das an der Quelle neben der Klause wächst, schleicht er vorsichtig näher. Und da entdeckt er ihn.
    Aber Pacheco ist nicht allein. Von seinem Versteck aus hat Rafael einen Pfiff gehört, es scheint ein Signal zu sein, denn aus dem Röhricht tritt nun ein Mann hervor. Die Überraschung des Jungen ist grenzenlos, als er erkennt, wer es ist: Zenturio.
    ›Ihr seht gut erholt aus‹, begrüßt der Soldat Pacheco lachend. ›Ich hätte ja selbst fast geglaubt, daß das viele Blut Euer eigenes war. Nun, ein bißchen ritzen mußte ich Euer Gedärm ja schon. Wie habt Ihr es eigentlich angestellt, daß niemand die Schweinsblase unter Eurem Wams entdeckt hat? Und wie steht’s nun mit unserer Abmachung?‹
    ›Hier habt Ihr, was ich Euch versprochen habe‹, erwidert Pacheco kurz angebunden und überreicht ihm einen Beutel.
    Durch das Schilf beobachtet Rafael, wie Zenturio das Geld |246| zählt. Er scheint nicht zufrieden zu sein, seine Miene wird immer düsterer.
    ›Das ist alles?‹ fragt er schließlich. ›Ich dachte eigentlich, daß Euch meine Dienste mehr wert sind.‹
    ›Da habt Ihr Euch wohl getäuscht, Zenturio.‹
    ›Vielleicht seid Ihr es ja, der sich da täuscht. Laßt mich überlegen, ach, da fällt mir auch schon etwas ein: Der Alte hat doch einen kleinen Sohn, für den er sein Leben opfern würde. Auf diesem Weg könnte man ihn drankriegen.‹
    Rafael kann sehen, wie Pacheco vor Zorn ganz rot wird, er packt den Raufbold am Kragen, zieht dessen Kopf zu sich heran und duzt ihn jetzt, jede Silbe voller Wut betonend.
    ›Hör mir gut zu, du Lump. Wenn du diesem Jungen auch nur
ein
Haar krümmst, bringe ich dich um. Für Großmäuler wie dich habe ich nie mehr als drei Schwertstreiche gebraucht.‹
    ›Warum mußtet Ihr mich auf dem Marktplatz vor all den Leuten auch einen törichten Esel schimpfen?‹ brummt Zenturio nun.
    ›Weil ich stocksauer auf dich war‹, antwortet Pacheco und läßt ihn los. ›Als ich sah, daß Manuel Calderón in Begleitung seines Sohnes war, machte ich dir ein Zeichen, unser Vorhaben nicht in die Tat umzusetzen, um das Leben des Kindes nicht zu gefährden. Wir hätten auf eine bessere Gelegenheit warten können, aber du wolltest ja nicht auf mich hören.‹
    ›Ist ja gut, ich habe verstanden‹, versucht der Raufbold abzuwiegeln. ›Regt Euch nicht auf. Ihr werdet sicher mal wieder einen willigen Mann wie mich brauchen. Solltet Ihr Eure Meinung ändern und die bisherige Entlohnung meiner Dienste überdenken, schickt mir eine Nachricht in die Taberna del Cuervo. Die Wirtin ist bis über beide Ohren in mich verliebt und wird sie mir zukommen lassen.‹
    ›Ich warne dich, Zenturio. Laß dieses Kind in Frieden. Es hat mich viel Mühe gekostet, sein Vertrauen zu gewinnen, und ich werde nicht zulassen, daß du meine Pläne durchkreuzt.‹
    ›Nun, jedem das Seine. Wie das Sprichwort schon sagt: Sag mir, mit wem du umgehst, und ich sage dir, wer du bist. Gehabt |247| Euch wohl‹, brummt der ehemalige Soldat und zuckt mit den

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