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Kryptum

Kryptum

Titel: Kryptum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agustín Sánchez Vidal
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Seid Ihr sicher?‹
    ›Vor kurzem erst kam ein Kurier nach Yuste, um Seine Majestät den Kaiser davon zu unterrichten und ihn zu bitten, jedwede Übereinkunft, die in Toledanos Namen getroffen worden sei, für nichtig zu erklären. Der Kaiser antwortete ihm, es gebe keine derartige Übereinkunft, da die Botschaft, die er Euch mit auf den Weg gegeben habe, eine abschlägige Antwort enthalte.‹
    Dies verriet die Handschrift Noah Askenazis. Nur José Toledanos Verwalter hatte die Macht für ein solches Vorgehen. Und ich witterte den Einfluß von Artal de Mendoza, denn nur der Mann mit der silbernen Hand, Philipps II. oberster Spion, verfügte über solch schnelle Kuriere. Askenazi traute dem Kurs nicht, den meine Mission möglicherweise genommen hatte, nachdem ich dem Hinterhalt entkommen war, in den man mich in Ragusa zu locken versucht hatte. Deshalb hatte er sich mit Artal verbündet. Und all das hatte auf mir nach wie vor unverständliche Weise mit der Casa de la Estanca zu tun. Für die sich im übrigen nun auch Turriano und Herrera zu interessieren |252| schienen. Auf Geheiß des Königs? Oder des Kaisers? Oder in wessen Namen sonst?
    Ich überlegte, was ich tun sollte. Nach so vielen Mühen stand ich kurz davor, endlich zu ergründen, warum meine Familie ermordet worden war. Und warum man mich selbst aus dem Weg räumen wollte. Aber Rebeccas Leben war in großer Gefahr, wenn ich nicht unverzüglich nach Konstantinopel zurückkehrte, um sie vor den finsteren Ränken zu warnen, die Askenazi hinter dem Rücken ihrer Familie schmiedete, und ihr zu helfen, sie zu durchkreuzen. Ich stand vor einem ziemlichen Dilemma. Turriano und Herrera bemerkten wohl die panische Angst, die mich befiel, als ich an das dachte, was Rebecca ohne den Schutz ihres Vaters widerfahren konnte. Daher erhoben sie auch keine Einwände, als ich ihnen mitteilte, ich müsse so schnell wie möglich nach Konstantinopel zurückkehren, und sie inständig bat, strengstes Stillschweigen über meinen Aufenthalt in der Casa de la Estanca zu bewahren. Verstehst du jetzt, warum ich nicht glauben kann, daß Herrera mich verraten hat?« fragt Randa seine Tochter. »Wenn dem so wäre, hieße das, der Mann mit der silbernen Hand hätte letzten Endes seinen Willen durchgesetzt und erreicht, was er wollte. Und dann wären sowohl Rafael und du als auch ich verloren.«
    »Hat Herrera dieses Geheimnis denn stets bewahrt?«
    »Dieses und noch viele andere, wie du noch sehen wirst. Du
mußt
ihn finden.«

|253| 5 Die Kaschemme
    Auch David Calderón fiel es nicht leicht, nach Antigua zurückzukehren. In jeder Ecke lauerten Erinnerungen, wurde die Vergangenheit wieder lebendig. Durch die Gassen der Stadt zu gehen, in der er geboren worden war, rief in ihm die gegensätzlichsten Empfindungen wach und wühlte ihn bis ins Innerste auf. Er sah kaum, was sich seinen Augen wirklich bot, denn er nahm alles nur mit einem von der Vergangenheit verschleierten Blick wahr. Er kehrte heim in eine Welt, aus der er verstoßen worden war, zu den Stätten seiner Kindheit, zu den Bäumen, deren Rinde er mit dem Taschenmesser bearbeitet hatte, und er atmete dieselbe, von dumpfen Glockenschlägen widerhallende Luft. Es war, als hätte jemand die Uhren zurückgedreht und er befände sich wieder an dem Punkt seines Lebens, als er noch ganz in sich selbst ruhte. Er war wieder ein Kind, spürte wieder den Mut und die Lebensfreude des Jungen, der all seine Lieben um sich hat und für den noch restlos alles möglich scheint. Antigua war die Stadt, in der er fast alle wichtigen Dinge zum ersten Mal erlebt hatte, all die Dinge, die er auch nach Jahren noch lebendig in sich spürte …
    Er hätte allein durch die Straßen schlendern wollen, um |254| diese Empfindungen ergründen zu können, doch war ihm dies unter den gegebenen Umständen nicht möglich, so daß er sich fast wie ein Eindringling oder, schlimmer noch, ein Tourist vorkam. Während John Bealfeld und Rachel Toledano vor ihm Richtung Plaza Mayor liefen, war er ein paar Schritte hinter ihnen zurückgeblieben, um zumindest ein bißchen seinen wehmütigen Erinnerungen nachhängen zu können.
    Jetzt betrachtete er von hinten den schlanken Körper der jungen Frau, wie sie mit festem Schritt über die alten Pflastersteine ging. Ihre Tatkraft überraschte ihn. War es die Sorge um ihre Mutter, die sie vorantrieb? Sie hat es wirklich eilig, dachte er, und ihm kam wieder in den Sinn, wie sie sich im Flugzeug ganz in die Dokumente vertieft

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