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Kryptum

Kryptum

Titel: Kryptum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agustín Sánchez Vidal
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eines Kohlenbeckens entzündete. Mit dem Deckel eines Ölkrugs dunkelte ich ihren Schein ab und stieg damit ins Kellergeschoß des Palasts hinunter, in das mich mein Vater als Kind nie gelassen hatte. Es war gar nicht so einfach, denn ich mußte mucksmäuschenstill sein und durfte keinen Verdacht erwecken. Ich durchsuchte sämtliche Räume, einen nach dem anderen, in mehreren aufeinanderfolgenden Nächten. Doch ich fand nichts. Am Ende blieb nur noch der Weinkeller zu erkunden. Es war das geräumigste Gewölbe von allen, denn dort lagerten die großen Weinfässer. Don Manuel besaß einen eigenen Weinberg, er kaufte aber auch die Erträge verschiedener Weinbauern auf, denn der Handel mit Wein bildete eine sichere Einnahmequelle, wenn die Zahlungen des Königs auf sich warten ließen.
    Noch bevor ich jedoch den Weinkeller durchsuchen konnte, geschah etwas völlig Unerwartetes. An jenem Morgen hatte mich Don Manuel damit beauftragt, die Vorräte in den Speisekammern und Lagerräumen zu kontrollieren. Ich war gerade von der Küche zu den Stallungen hinübergegangen, wo ich die Futtervorräte überprüfen wollte, als einer der Dienstboten gelaufen kam und mir mitteilte, Don Manuel verlange nach mir.
    Ich stieg also hinauf in Calderóns Amtsstube. Als ich eintrat, gewahrte ich sogleich Calderóns ernste Miene. Er verabschiedete sich gerade von zwei Männern, die mit dem Rücken zu mir standen. Groß und massig der eine, schlank und athletisch der andere. Ich blieb einen Moment lang verwirrt auf der Schwelle stehen, denn normalerweise besprach sich mein Herr allein mit mir. Don Manuel bemerkte mein Zögern und |250| hieß mich näher treten. Da drehten sich die Besucher zu mir um, und mein Blick fiel zunächst auf den größeren und älteren der beiden. Kein Zweifel, vor mir stand Juanelo Turriano, der Uhrmachermeister des Kaisers. Ich hatte mich von meiner Überraschung noch nicht erholt, da trat sein Gefährte vor, der kein anderer als Juan de Herrera war, der Arkebusier, der mich vor Monaten nach Yuste begleitet hatte.
    Mir blieb keine Zeit zu reagieren. Calderón stellte mich bereits vor.
    ›Das hier ist Pacheco‹, sagte Don Manuel. ›Er genießt mein vollstes Vertrauen und wird Euch begleiten.‹
    Herrera horchte als erster auf.
    ›Pacheco?‹ fragte er mit überraschter Miene.
    Und er erfaßte auch als erster die Lage, als ich ihm mit einer Geste bedeutete, er möge mein Geheimnis wahren, und zwar so schnell, daß er Turriano gleich am Arm packte und ihn die Treppen hinunterzog, bevor dieser sich verplappern konnte.
    Draußen auf der Straße, im Tageslicht, erkannte mich der Uhrmacher sofort.
    ›Aber … aber …‹, stotterte er. ›Was macht
Ihr
denn hier?‹
    ›Das ist eine lange Geschichte … Und was führt Euch nach Antigua?‹
    ›Es gibt Schwierigkeiten mit der Casa de la Estanca.‹ Als Turriano mein verständnisloses Gesicht sah, erklärte er: ›Ihr Sammelbecken faßt nicht genügend Wasser. Wenn große Dürre herrscht, versiegen die Quellen der Stadt und trocknen aus. Seine Majestät der König möchte wissen, ob man auf mechanischem Weg irgendwie Wasser vom Fluß hinauf in die Stadt schaffen könnte, um deren Versorgung sicherzustellen.‹
    ›Das wäre eine unerläßliche Voraussetzung für die Verlegung des Hofs nach Antigua. Wenn es je soweit kommen sollte‹, fuhr Herrera fort. ›Deshalb mißt er dieser Angelegenheit besondere Wichtigkeit bei.‹
    ›Und wie gedenkt Ihr das Problem zu lösen?‹ wollte ich wissen. ›Es ist eine ganz schöne Strecke hier hoch und zudem ziemlich steil.‹
    |251| ›Mit meiner neuesten Erfindung, dem
artificio de Juanelo
. Ich denke da an eine mechanische Vorrichtung, die die Strömung des Flusses ausnutzen könnte, um mit einem Schöpfwerk das Wasser in die Stadt hinaufzuschaffen.‹
    Mit dieser Antwort gab ich mich vorerst zufrieden, aber ich sah ihren Gesichtern an, daß sie es mit der meinen noch nicht waren.
    ›Ihr werdet Euch fragen, was ich hier mache … und dazu noch unter anderem Namen. Ihr müßt wissen, ich habe als Kind hier gelebt; weshalb ich mein Elternhaus unbedingt noch einmal von innen sehen wollte …‹
    ›In Yuste schient Ihr es noch eilig zu haben, nach Konstantinopel zurückzukehren‹, unterbrach mich Herrera. ›Der Kaiser nahm an, José Toledanos Erkrankung erfülle Euch mit großer Sorge.‹
    ›Von welcher Krankheit redet Ihr da?‹ fragte ich bestürzt.
    ›Von der, an der er vor wenigen Tagen gestorben ist.‹
    ›Don José tot?

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