Kryptum
Kommissar.«
|273| La Tolona kam hinter der Theke hervor und brachte den Carajillo an den Tisch.
»Schau mal, Gabriel, da ist er!« raunte sie ihm zu und zeigte auf den Fernseher.
Gabriel Lazo sah von den Dominosteinen auf. Über die Schulter seines Gegners hinweg schaute er hoch zum Bildschirm, wo Gutiérrez und David auf dem Balkon des Rathauses über der abgesperrten Plaza Mayor zu sehen waren.
»Wer?« fragte der kräftig gebaute Mann.
»Einer von denen, die nach dir gefragt haben. Der junge Mann neben Gutiérrez.«
In diesem Augenblick blendete man David Calderóns Namen ein.
»Er sieht genauso aus wie sein Vater als junger Mann!« Lazo sprang auf. »Der entwischt mir nicht! Tolona, schreib das an!«
Sein Gegenüber, ein bulliger Schlachter, protestierte laut:
»Verdammt, du kannst das Spiel jetzt nicht abbrechen!«
Lazo schüttete den Carajillo in einem Zug hinunter, schob die Münzen auf dem Tisch mit seinen Pranken zusammen und schnaubte:
»Willst du mich etwa daran hindern?«
Der Schlachter machte Anstalten, mit drohender Miene aufzustehen, aber Lazo war schneller und versetzte ihm einen derart heftigen Fausthieb, daß er mitsamt Stuhl, Tisch, Spielsteinen und Gläsern hintenüberkippte. In der Kneipe gab es ein riesiges Geschrei, und mehrere Saufbrüder kamen herbeigelaufen, um dem Schlachter aufzuhelfen. Wutentbrannt wollte er schon auf Lazo losgehen, als er sah, wie dieser gleichgültig eine Hand in die rechte Hosentasche steckte und die Klinge eines Messers aufblitzen ließ. Alle blieben wie versteinert stehen. Bis auf La Tolona, die sich zwischen die beiden Streithähne schob.
»Na, na, na! Setzt euch wieder hin und gebt Ruhe. Wer will noch ein Bier?«
Alle kehrten brummend zu ihren Plätzen zurück. Die Wirtin |274| nahm Gabriel Lazo beiseite und baute sich mit in die Hüften gestemmten Armen vor ihm auf.
»Jetzt nicht, Tolona, jetzt nicht … später erkläre ich dir alles«, flehte er sie beschämt an, bevor er mit einem lauten Türknall aus der Kneipe stürmte und die steile Straße hinauf zum Taxistand lief. Dort stand aber keines, und so rannte er weiter, bis er unterwegs eines anhalten konnte.
»Zum Rathaus. Schnell …«, trieb er den Fahrer an. »Könnten Sie mir einen Stift und einen Zettel geben?«
»Hier, nehmen Sie. Bin gespannt, ob man uns durchläßt. Ich vermute fast nicht …«
Und er täuschte sich nicht. Die Seitenstraße zur Plaza Mayor war komplett gesperrt. Lazo zahlte eilig, stieg aus dem Taxi und rannte zu dem Gebäude. Es war von zahlreichen Sicherheitskräften umstellt. Er suchte nach einer Lücke. Die offiziellen Delegationen verabschiedeten sich gerade, und auch einige der Polizisten zogen bereits ab. Er blickte sich nach den Fernsehkameras um, als er David an der Tür entdeckte, umgeben von vielen Leuten. Gabriel Lazo tastete nervös nach seiner rechten Hosentasche. Er war bereit. Es konnte nichts schiefgehen.
David Calderón trat nun aus dem Scheinwerferlicht der Kameras. Er wurde von einem stämmigen älteren Mann und einer jungen blonden Frau begleitet. Jetzt ließen sie die Absperrungen der Polizei hinter sich. Lazo schob sich durch die Menschenmenge und war nur noch ein paar Schritte von David entfernt, als er Gutiérrez aus der Tür treten sah.
Er wich zurück und verbarg sich hinter einer der Säulen der Arkaden. Von dort aus beobachtete er, wie sich die drei vom Inspektor verabschiedeten. In welche Richtung würden David Calderón und seine Begleiter davongehen? Lazo beschloß, ihnen unauffällig zu folgen, und schob sich näher, so daß er hören konnte, wie David seinen Begleiter fragte:
»Bealfeld, über wie viele Beamte verfügen Sie eigentlich?«
»Ich kann es nicht genau sagen, aber wir haben bei den Behörden fünfzehn Waffenscheine beantragt und fünf gepanzerte Wagen registrieren lassen«, antwortete der Kommissar.
|275| Von hinten sah Gabriel Lazo, wie dieser Bealfeld Calderón etwas zusteckte. So diskret er dies auch tat, konnte Lazo doch erkennen, daß es ein Revolver war. Wütend biß er die Zähne zusammen.
»Hier haben Sie den Waffenschein der spanischen Polizei«, sagte der Kommissar zu David. »Wenn Sie schon als Lockvogel dienen, ist es besser, Sie sind bewaffnet. Und wenn Sie bewaffnet sind, dann am besten mit dem Segen von oben. Ich möchte keine Schwierigkeiten mit Gutiérrez.«
»Das fehlte mir gerade noch, daß ich hier wie in einem Western durch die Gegend laufe!« widersprach der Kryptologe und wollte ihm die Waffe
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