Kryptum
aufwacht.«
»Ich habe noch einiges zu erledigen«, entschuldigte sich Bealfeld mit einem Blick auf den Kryptologen.
»In Ordnung, ich übernehme die erste Schicht.«
»Gut, dann werde ich jetzt veranlassen, daß ein Krankenwagen Ms. Toledano ins Hotel bringt«, erklärte Doktor Vergara und stand auf.
Im Wagen auf dem Weg zum Hotel trommelte der Kryptologe mit den Fingern unruhig auf das Armaturenbrett.
»Was ist los?« fragte der Kommissar. »Sie machen mich ganz nervös.«
»Dieser hagere Typ … Ich habe ihn schon einmal gesehen.«
»Sie wiederholen sich.«
»Ich meine, ich kenne ihn von früher. Aus den Vereinigten Staaten. Als er die Treppe hinuntergegangen ist, hatte ich so etwas wie ein Déjà-vu. Ich habe die ganze Zeit darüber nachgegrübelt, aber ich komme einfach nicht drauf.«
David verstummte und massierte sich nachdenklich die Schläfen. Bis plötzlich ein Gedanke durch seinen Kopf zuckte.
»Ha, jetzt weiß ich es! Das Krankenhaus! Ich kenne ihn aus der Spezialklinik der NSA, wo man meinen Vater behandelt hat. Ich bin mir fast sicher, daß sich dieser Typ dort auch herumgetrieben hat …«
»Wenn das stimmt … Darüber müssen wir uns Gewißheit verschaffen.«
»Bealfeld, könnten Sie mir einen Gefallen tun? Ich weiß, daß es nicht einfach sein wird, aber wenn Sie sich mit Ihrem Nachrichtendienst wegen der beiden Fotos in Verbindung setzen, könnten Sie da auch für mich jemanden ausfindig machen? Der Mann heißt Jonathan Lee und hat zuletzt in Georgetown gelebt. Wenn sie ihn nicht im Einwohnermelderegister finden, sollen sie in der Klinik der NSA nachfragen. Ich brauche unbedingt seine Telefonnummer.«
|341| Kaum hatten die Sanitäter Rachel in ihr Hotelzimmer gebracht, ging David zu ihr hinüber. Die Drähte der Elektroden waren über ihrem Kopf zu einer Art Pferdeschwanz zusammengeführt. Ihr blondes Haar floß weich auf das Kopfkissen. Sie atmete ruhig und wirkte sehr zerbrechlich und schön. Von Zeit zu Zeit drehte sie sich auf die andere Seite oder redete im Schlaf. Einmal deckte sie sich dabei auf. Einen Moment lang zögerte David. Aber dann dachte er, daß sie sich bei der laufenden Klimaanlage verkühlen werde, und trat ans Bett, um sie wieder zuzudecken. Als er die Decke über sie zog, fiel sein Blick auf den Ausschnitt ihres Nachthemds, wo zwischen ihren Brüsten ein winziges Tattoo zu sehen war. Eine Rose. Und darunter ein Name, der nicht mehr zu erkennen war und sich rhythmisch im Takt ihres Atems hob und senkte.
David setzte sich wieder in seinen Sessel. Das Tattoo ging ihm nicht aus dem Sinn. Er war verwirrt. Das hätte er nicht erwartet. Es zeugte nicht vom sorgenfreien Leben eines Mädchens aus gutem Hause, sondern vielmehr von einer schwierigen Jugend, vom Aufwachsen im Spannungsfeld der unglücklichen Ehe von Sara und George Ibbetson. Er mußte sich eingestehen, daß er wirklich wenig über diese junge Frau wußte, über deren Schlaf er jetzt zu wachen hatte.
Den Blick noch immer auf sie gerichtet, schreckte er aus seinen Gedanken hoch, als das Telefon klingelte. Sollte er drangehen oder nicht? Als er den Hörer abhob, begann jemand auf englisch auf ihn einzureden.
»Wer ist da, bitte?« fragte er.
Doch kaum hatte der Mann am anderen Ende der Leitung seine Stimme vernommen, legte er auf.
Nachdenklich blickte David zum Fenster hinaus. Wessen Stimme war das gewesen? Irgendwie war sie ihm sehr vertraut vorgekommen … Aber natürlich: James Minspert! Das Mißtrauen, das zwischendurch immer wieder aufgeblitzt war, wurde nun zur Gewißheit, die ihn zwang, alles noch einmal zu überdenken. Was hatte James wohl unternommen, nachdem er festgestellt hatte, daß sie die Unterlagen zum CA-110 aus |342| der Agency entwendet hatten? Hatte er in Antigua Informanten? Helfershelfer? Warum rief er Rachel an? Wenn er eine »offizielle« Erklärung verlangte, wäre es dann nicht logischer, Bealfeld zur Rede zu stellen? Schließlich und endlich war der Kommissar derjenige, der die Verantwortung trug. Vielleicht hatte er das ja auch getan. Falls dem so wäre, warum hatte der Kommissar es ihm dann nicht erzählt?
Während er sich darüber den Kopf zerbrach, wurde er schläfrig. Und das lag nicht nur am Jetlag. Auch er hatte die letzte Nacht nicht gut geschlafen. Er schaltete den Fernseher ein und zappte sich durch die Kanäle. Mit leise gestelltem Ton sah er sich schließlich einen Film an, als das Telefon wieder klingelte. Dieses Mal gab sich der Anrufer vom ersten Moment an zu
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