Kryptum
befanden sich so hoch oben, daß an sie kein Herankommen war. Eine Wand nach der anderen untersuchte ich, versetzte Bücherstapel um Bücherstapel auf der verzweifelten Suche nach irgendeinem Loch. Doch vergebens. Da bedauerte ich von ganzem Herzen, die Pläne, die Herrera mir in seinem Häuschen gezeigt hatte, nicht eingehender studiert zu haben. Es gab kein Entrinnen. Ich saß in der Falle.«
In diesem Augenblick vernimmt Randa die Schritte der Wache. Bevor die Soldaten und sein Kerkermeister die Tür erreichen, gibt er seiner Tochter schnell noch eine wichtige Anweisung.
»Hör mir gut zu, mein Kind. Du hast gesagt, daß man Herrera in Turrianos Haus erwarte, wo er dessen Schriftstücke ordnen soll. Du oder Rafael, einer von euch beiden muß ihn heimlich aufsuchen und ihn eindringlich bitten, in Juanelos Papieren nach dem Entwurf für den Hauptschlüssel zu suchen, den dieser mittels Cardanos Kombinationsmaschine entwickelt hat.«
»Laßt das nur meine Sorge sein.«
»Herrera muß sich an diese Zeichnungen erinnern, denn es war hier im Alkazar, wo Juanelo den Mechanismus ausprobiert hat, bevor er seine Erfindung für die Türen des Escorial einsetzte. Der Auftrag dafür kam von Herrera, er war der Architekt beider Bauwerke. Es ist sehr wichtig, daß er sie findet. Uns bleiben nur noch vier Tage. Verstehst du mich?«
»Ja, Vater, ich bin ja nicht dumm«, protestiert die junge Frau und steht auf.
|395| 7 Der freitägliche Regen
Wer sie nicht kannte, hätte sie für ein Pärchen im Sonntagsstaat halten können, das auf dem Weg ins Restaurant war. Die bloße Vorstellung verwirrte David Calderón. Aus den Augenwinkeln betrachtete er Rachel Toledano, die in einem weit ausgeschnittenen roten Kleid neben ihm herstolzierte. Ihr langes blondes Haar fiel weich und wellig bis zu dem Strauß weißer Rosen herab, den sie im Arm hielt. Sie sah blendend aus. Niemand wäre auf die Idee gekommen, daß sie erst am Vortag einen Zusammenbruch gehabt hatte. Endlich schien sie vollkommen ausgeruht zu sein, und ein leichtes Make-up reichte, um die Ringe unter ihren Augen zu kaschieren.
David hatte sie noch nie so hübsch und sorgfältig geschminkt gesehen. Der Besuch schien der jungen Frau sehr wichtig zu sein. Immerhin war Juan Antonio Ramírez de Maliaño ihr Patenonkel. Und zudem eine der letzten Personen, mit denen ihre Mutter vor ihrem Verschwinden gesprochen hatte. In ihrem Brief hatte Sara geschrieben, sie sollten Maliaño unbedingt nach dem
freitäglichen Regen
fragen, jener seltsamen Geschichte, über die sie sich bei ihrem letzten Besuch im Escorial unterhalten hatten.
|396| Maliaño hatte aber auch seinen Vater gekannt und konnte ihm vielleicht etwas zu dem Programm CA-110 sagen, an dem Pedro Calderón gearbeitet hatte und das ihnen soviel Kopfzerbrechen bereitete. Vor allem Gabriel Lazos Enthüllungen vom Vorabend beunruhigten ihn, auch wenn er wußte, daß der ehemalige Hausmeister vom Zentrum für Sephardische Studien nicht mehr ganz bei Verstand war.
Es waren unumstößliche Tatsachen. Er hatte sich den ganzen Sonntagvormittag in die Papiere vertieft. Rachel hatte ihm dabei geholfen, obwohl er die junge Frau gedrängt hatte, sich lieber noch etwas auszuruhen. Dickköpfig, wie sie war, wollte sie jedoch nichts davon wissen. Und es war nicht gerade einfach, unter den gegebenen Umständen die Berge von Millimeterpapier in Augenschein zu nehmen und zu analysieren, auf der Suche nach einem Muster, mit dem sie vielleicht ihre Bedeutung entschlüsseln konnten.
David war ziemlich durcheinander gewesen. Und das nicht nur, weil diese Arbeit äußerste Konzentration verlangte – das hatte er schließlich schon tausendmal gemacht. Er fühlte sich innerlich blockiert, konnte aber nicht genau benennen, was es war; es grenzte ans Irrationale. Es war diesmal einfach anders. Vielleicht lag es ja an der zusätzlichen Anspannung, allein mit Rachel arbeiten zu müssen, ohne den besänftigenden Bealfeld, der seinen eigenen Verpflichtungen nachzukommen hatte, und daran, daß er mit ihr nicht offen diskutieren konnte, aus Angst vor einem Rückfall.
Am schwierigsten war es, ihr seine Vermutungen zu Pedros Zeichnungen zu erklären, die ihm Gabriel Lazo überlassen hatte, ohne den ehemaligen Hausmeister dabei zu erwähnen oder zu gestehen, woher er diese Unterlagen hatte. Zu Beginn hatte sie es als Scherz aufgefaßt, doch schließlich war ihr Ärger deutlich spürbar geworden.»Mit Geheimniskrämerei kommen wir nicht weiter«, hatte
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