Kryptum
überrascht.
»Sara hat nicht vielen Leuten davon erzählt, denn das ist einer der Trümpfe bei dieser Konferenz, sollte sie eines Tages wirklich stattfinden … Sie möchte so etwas wie eine Universität des Mittleren Ostens gründen, einen Ort schaffen, wo Christen, Muslime und Juden gemeinsam studieren, forschen und sich kennenlernen können. Wie ihr euch vorstellen könnt, stößt eine solche Initiative bei vielen Leuten auf große Ablehnung.«
»Und du glaubst, das erklärt ihr Verschwinden?«
»Keine Ahnung, es ist aber eine mögliche Spur. Was hat man euch im Convento de los Milagros gesagt?«
»Wir waren gestern dort, aber es hat nichts gebracht. Saras Papiere und ihr Laptop sind verschwunden, aber im Kloster stellt man sich unwissend. Und ins Archiv lassen sie uns auch nicht«, antwortete David.
»Und Bealfeld? Oder Gutiérrez? Dürfen die beiden die Akten auch nicht einsehen?«
»Gutiérrez betet jedes Wort von Erzbischof Presti nach. Und Bealfeld hält es für vorrangig, die Erlaubnis zu erhalten, in den Krater auf der Plaza Mayor hinuntersteigen zu dürfen. Der anonyme Anrufer hat behauptet, meine Mutter sei dort unten …« |402| In diesem Moment klingelte im Wohnzimmer das Telefon, und kurz darauf kam Marina auf die Terrasse. Während sie mit der Hand den Telefonhörer zuhielt, sagte sie zu Maliaño:
»Es ist Kommissar Bealfeld …«
»Wenn man vom Teufel spricht …«, meinte der Architekt und bedeutete der Haushälterin, ihm den Hörer zu reichen. »Hallo, Kommissar … Sie sind beide hier, wir haben noch nicht einmal gegessen … wir sehen uns also am Montag …« Plötzlich klang der Architekt jedoch alarmiert. »Was sagen Sie da …! Sind Sie sicher …? Wollen Sie mit Rachel oder David sprechen …? Nein? … Gut, ich richte es ihnen aus … Bis Montag also.«
Die jungen Leute sahen ihn fragend an.
»Was ist los?« fragte Rachel.
»Bealfeld hat unsere Verabredung für morgen bestätigt. Wir haben durchgesetzt, daß die Plaza Mayor mit einem geodätischen Radar untersucht wird, wodurch man eine Art Röntgenaufnahme erhält. Da die Polizei uns nicht graben läßt, ist das die einzige Möglichkeit, ein geologisches Profil dessen zu bekommen, was sich unter diesem Krater befindet.«
»Am Ende des Telefonats klangen Sie aber sehr beunruhigt. Hat es irgendwelche Probleme gegeben?« fragte David.
»Na ja, der Kommissar meinte noch, ich solle euch ausrichten, daß seine Freunde in den Staaten bei der NSA ziemlich große Hektik festgestellt haben. Irgend etwas Seltsames sei dort im Gange, das mit Antigua zu tun habe.«
»Weiter hat er nichts gesagt?« wollte David wissen.
»Er meinte nur, er bemühe sich, mehr Informationen zu bekommen, und werde sich melden, sobald er etwas erfahre.«
In diesem Augenblick kam Marina wieder auf die Terrasse und verkündete:
»Wenn’s Ihnen recht ist, könnten Sie jetzt essen.«
Der Architekt stand auf und führte sie ins Eßzimmer. Während David neben dem Tisch darauf wartete, daß ihm ein Platz zugewiesen wurde, beobachtete er Rachel, wie sie mit den Fingerspitzen über das feine, gestärkte Leinentischtuch strich. |403| Nicht nur er hatte also Erinnerungen an diese Stadt. Maliaño schob der jungen Frau ihren Stuhl hin und bedeutete David, sich auf den Platz ihr gegenüber zu setzen. Als er sah, daß seine Patentochter nach einem der knusprigen Brotstücke griff und sich suchend umsah, reichte er ihr das Ölkännchen.
»Hier wirst du keine Butter finden, mein Kind. Du wirst dich mit Olivenöl begnügen müssen.«
Dann nahm er eine Flasche Weißwein aus dem Weinkühler und ließ Rachel probieren.
»Erkennst du ihn wieder?«
»Wie sollte ich den nicht erkennen! Er ist von deinen Reben inYepes.«
Maliaño lächelte zufrieden. Während sie sich die Gazpacho schmecken ließen, fiel David einmal mehr auf, wie anders Rachel auf einmal war. Vielleicht war es die Sprache. Mit ihrem Patenonkel sprach sie Spanisch, und das klang ganz anders als ihr Englisch. Es war, als habe er eine andere Frau vor sich.
Im Laufe des Essens wurde ihm klar, daß es nicht nur das war. Auch der Wein, und vor allem die Vertrautheit mit Maliaño, der sie gut zu kennen schien, obwohl sie sich anscheinend Jahre nicht gesehen hatten, machten es ihr augenscheinlich leichter … Jedenfalls erwies sich Rachel Toledano als ungeheuer witzig. Sie hatte einen unglaublichen Sinn für Humor, den er bisher nur als beißende Ironie erfahren hatte. Und sie war, wie sich herausstellte, auch
Weitere Kostenlose Bücher