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Kryptum

Kryptum

Titel: Kryptum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agustín Sánchez Vidal
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ihr wie von Blut befleckt. Und alle, die von dieser Asche bedeckt
worden waren, starben in den herannahenden Schlachten …
    Denn noch im selben Jahr fielen die Mauren in das Land ein:
Auf Befehl des Statthalters von Ifriqiya, Musa ibn Nusayr, setzte
der FeldherrTāriq ibn Ziyād mit seinem Heer nach Gibraltar
über, das die Mauren Dschabal al-Tāriq nennen, und begann
von dort aus seinen Feldzug gegen die Westgoten, die er in der
Schlacht amWadi Bakka besiegte und bei der auch Don Rodrigo
zuTode kam. So konnte der Feldherr sich schnell aller Städte bemächtigen
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, die rechts und links seines Weges lagen, bis er schließlich Antigua
eroberte. Und all dies geschah unter dem Kalifat von
al-Walid I. aus der Dynastie der Omaijaden. Der Kalif verstand
, wie allgewaltig jener Schatz war, und befahl, mehr Wissen
über ihn zu sammeln. Doch ohne ihm beikommen zu wollen,
wie es der unbesonnene Don Rodrigo getan hatte. Seine Weisen
und Gesetzeskundigen sollten vielmehr alle Berichte und Chroniken
über ihn zu Rate ziehen und so die Macht dieses Talismans
studieren, damit er ihn einesTages für seine Herrschaft nutzen
könne. Also machten sie sich …
    Freudig erregt über das Geheimnis, das die Pergamente preisgaben, hatte ich unbewußt immer lauter gesprochen. Deshalb merkten Herrera und ich nicht, in welcher Gefahr wir schwebten. Erst, als es dafür bereits viel zu spät war.
    Jemand stocherte mit einem Schlüssel im Schloß.
    ›Das kann nur Montano sein, der wegen heute nachmittag mißtrauisch geworden ist‹, wisperte Herrera und blickte mich mit vor Entsetzen geweiteten Augen an.
    Dann legte er den Finger auf die Lippen, blies die Kerze aus und packte meinen Arm, um mich in eine Ecke zu ziehen, wo wir uns gut hinter den hohen Bücherstapeln verbergen konnten. Seine Bestürzung ob der heiklen Lage, in der wir uns befanden, war ihm deutlich anzumerken. Sein Name und seine Ehre standen auf dem Spiel. Ganz zu schweigen vom Vertrauen des Königs.
    Der Architekt hielt den Atem an, als er hörte, wie derjenige, der da hereinwollte, mit dem Schloß kämpfte, denn ihm war siedendheiß eingefallen, daß er den Schlüssel steckengelassen hatte. Wer auch immer auf der anderen Seite stand, stieß jetzt mit seinem Schlüssel dagegen. Das verschlimmerte unsere Lage nur noch, da Herrera nun nicht mehr würde behaupten können, er sei rein zufällig vorbeigekommen und habe die Tür offenstehen sehen.
    ›Hoffentlich schafft er es nicht, seinen Schlüssel hineinzustecken. Vielleicht sieht er dann davon ab‹, flüsterte Herrera mir zu.
    |391| Doch er hoffte vergebens. Der Unbekannte war nicht bereit, aufzugeben, so daß wir einen Augenblick später Herreras Schlüssel auf den Boden fallen hörten.
    ›O nein! Wenn er jetzt den Schlüssel auf dem Boden entdeckt, wird er wissen, daß jemand hier drin ist.‹
    Dann vernahmen wir, wie sich der Schlüssel im Schloß drehte und die Tür aufgestoßen wurde. Ein Lichtstrahl teilte den Saal nun in zwei Hälften. Wir erblickten eine Hand mit einem Leuchter. Und gleich darauf schlüpfte ein schwarzer Schatten herein.
    Wir wagten kaum hinter den Büchern hervorzuspähen. Herrera verrückte vorsichtig einen Band und schuf sich so ein Guckloch, durch das er den Schatten beobachten konnte. Die Lippen an mein Ohr gepreßt, hauchte er:
    ›Das ist nicht Montano.‹
    ›Seid Ihr sicher?‹
    ›Absolut.‹
    ›Wer ist es dann?‹
    Den Rücken zu uns gekehrt, schloß der Fremde soeben leise die Tür, weshalb wir ihn nicht erkennen konnten. Alsdann bückte er sich und hob etwas vom Boden auf. Er mußte den Schlüssel gefunden haben, denn nun drehte er sich um und hob den Leuchter, um den Saal nach dem Eindringling abzusuchen.
    In diesem Moment sahen wir sein Gesicht.
    Herrera war wie versteinert.
    ›Es ist … der König! Seine Majestät persönlich!‹
    Der Architekt hatte Mühe, sich aus seiner Erstarrung zu lösen. Er mußte handeln. Nur wie? Wie sollte er unser Eindringen erklären, wie begründen, warum wir gegen den königlichen Willen, gegen seine Anordnungen verstoßen hatten? Nun, da er den Schlüssel gesehen hatte, wußte Seine Majestät, daß jemand im Saal war, und es würde nicht lange dauern, bis er uns entdeckte. Oder schlimmer noch: bis er die Wache rufen ließ. Es war also besser, daß Herrera hinter dem Bücherstapel hervortrat, bevor der König auf diesen Gedanken kam. Am |392| schwierigsten erschien ihm jedoch die Frage, wie er meine Anwesenheit rechtfertigen sollte.

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