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Kryptum

Kryptum

Titel: Kryptum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agustín Sánchez Vidal
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Kübelpflanzen und bedeutete ihnen mit einer Kopfbewegung, zu ihm zu treten. Rachel lief rasch auf ihn zu und umarmte ihn, während der Architekt den Schlauch zur Seite richtete, um sie nicht naßzuspritzen.
    »Vorsicht, meine Kleine, du hast ein sehr elegantes Kleid an.« Er drehte das Wasser ab und sah sie an. »Du erinnerst dich also noch daran, daß ich weiße Rosen mag. Laß dich ansehen: Gut siehst du aus! Keine Spur davon, daß es dir gestern gar nicht gut ging. Was hattest du denn?«
    »Nichts Besonderes. Reine Übermüdung, nehme ich an.«
    »Warum ziehst du nicht zu mir? Ich würde mich um dich kümmern.«
    »Auf gar keinen Fall! Du hast dein Leben, deine Gewohnheiten, ich störe da nur.«
    Rachel trat nun einen Schritt zur Seite, damit David dem Architekten die Hand reichen konnte. Sie würdigte ihn dabei keines Blickes. Maliaños Augen unter den dichten, weißen Augenbrauen musterten ihn von oben bis unten.
    »David Calderón«, stellte sich David vor.
    »Ja, das sieht man. Ich hatte häufig mit Ihrem Vater zu tun. Wo haben Sie die ganze Zeit gesteckt?«
    »Ich bin viel in der Welt herumgekommen.«
    »Ich gehe nur schnell eine Vase holen. Wenn ich zurückkomme, erzähle ich Ihnen, wie ich Pedro kennengelernt habe.«
    David trat an die Terrassenbrüstung, um die Aussicht zu bewundern. Zu seinen Füßen erstreckte sich die Stadt den Hügel hinunter bis zur Biegung des Flusses, über dem sich eine ganze Reihe von Brücken spannte, bis er sich hinter den letzten Häusern der Stadt in dunstiger Ferne verlor.
    Der alte Architekt kam mit einer Vase zurück, stellte die Rosen hinein und atmete mit geschlossenen Augen ihren Duft |400| ein. Man begann die Frische zu spüren, die die frischgegossenen Pflanzen auf der Terrasse verbreiteten. Maliaño trat zu dem großen Topf mit Basilikum und schüttelte ihn, worauf das feine Aroma sofort in ihre Nasen stieg.
    David kam es so vor, als spüre der Architekt die Spannung zwischen ihm und Rachel. Vielleicht hatte Sara ihn aber auch vorgewarnt, so wie sie Bealfeld einiges über ihn erzählt hatte. Der alte Mann ließ sich Zeit, das Terrain zu sondieren. Er forderte sie auf, Platz zu nehmen, setzte sich ebenfalls in einen der Korbsessel und schwieg, bis die Haushälterin Oliven, geröstetes und mit Öl beträufeltes Brot, einen Teller mit kaltem Rinderbraten und eine Flasche Manzanilla auftrug, die so kalt war, daß Tropfen von ihr abperlten.
    »Ich dachte mir, wir nehmen hier den Aperitif, bis das Essen fertig ist«, sagte er, schenkte den Manzanilla in ein Probierglas ein und roch daran, bevor er ihn fachkundig schlürfte.
    »Geruchs- und Geschmackssinn sind die einzigen Sinne, die mit dem Alter schärfer werden«, erklärte er, nachdem er den herben Sherry für gut befunden und die Gläser seiner Gäste gefüllt hatte.
    »Wie alt bist du jetzt, Patenonkel?«
    »Das weiß ich selber nicht mehr. Aber daß ich sehr alt bin, kannst du daran sehen, daß ich deinen Großvater schon kannte, als er noch ein junger Mann war. Und Sara kenne ich ihr ganzes Leben lang. Dich hingegen habe ich schon eine halbe Ewigkeit nicht mehr gesehen.«
    »Fang nicht wieder damit an. Es ist nicht so leicht, sich in NewYork über Wasser zu halten.«
    »Jetzt erzähl mir nur noch, daß die Erbin der Toledanos nicht das Geld für einen Flug nach Spanien hat. Erst mußte das mit deiner Mutter passieren, daß du mal wieder nach Antigua kommst. Na ja, lassen wir das, Sara ist jetzt wichtiger. Gestern morgen hast du mir am Telefon ja schon das Wichtigste zusammengefaßt. Gibt es Neuigkeiten?«
    »Nicht viele. Nur ein anonymer Telefonanruf bei der Polizei. Der Anrufer behauptet, er wisse, wo sie steckt.«
    |401| »Traut bloß keinen anonymen Anrufern. Und auch sonst niemandem. Es sind verdammt viele Interessen im Spiel.«
    »Meinst du die Friedenskonferenz?«
    »Natürlich, aber auch die Pläne deiner Mutter. Der Palast der Casa de la Estanca gehört immerhin ihr.«
    »Ich dachte, er gehört der Stiftung.«
    »Da irrst du dich. Er ist Saras Eigentum, und eines Tages wirst du ihn erben. Das weiß ich ganz genau. Es ist ein sehr begehrtes Grundstück mitten im Stadtzentrum und viele Quadratmeter groß … Deine Mutter hat mich damit beauftragt, die Idee mit dem Zentrum für Sephardische Studien wieder aufzugreifen und den Palast dementsprechend umzubauen. Erst wenn dieser Plan in die Tat umgesetzt ist, soll der Palast von der Stiftung verwaltet werden.«
    »Davon wußte ich nichts«, sagte Rachel

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