Kryptum
hatten. Wir wurden allesamt an die Ruder gesetzt, was der Verurteilung zu einem langsamen Tod gleichkam, auch wenn ich das damals noch nicht begriff. Man brachte uns auf eine der türkischen Galeeren, wo sie jedem |56| von uns eine schwere zwölfgliedrige Kette um das Fußgelenk legten und jeweils fünf Gefangene an eine Ruderbank ketteten. So führte ich plötzlich das Leben eines Galeerensklaven, das so elend ist, daß man sich jede Stunde den süßen Tod herbeisehnt. Und ich kam in den Genuß von Zwieback und Peitsche. Die Peitschenhiebe waren dabei immer äußerst großzügig bemessen, wohingegen etwas trockener Zwieback meistens unsere einzige Mahlzeit darstellte. Allenfalls gab es eine Kelle voll
mazamorra
, einen verkochten Zwiebackbrei, der mit reichlich toten Wanzen, Spelzen und dem Kot der Mäuse durchsetzt war, die auf der Jagd nach Essensresten zwischen unseren Füßen herumflitzten. Das Wasser war ebenfalls streng rationiert und faulig.
Von der Peitsche wurde, wie gesagt, ausgiebig Gebrauch gemacht; kurzum, wir litten tausend Qualen. Nach wenigen Wochen als Rudersklave wußte ich, daß ich auf dieser Galeere nicht viele Monate am Leben bleiben würde. Sie gehörte einer wichtigen Persönlichkeit und war eines dieser Schiffe, die Galeassen genannt wurden und äußerst flink und seetüchtig waren. Aus gutem Grund: an jedem der vierzig Riemen waren bis zu fünf Galeerensklaven angekettet, anstatt der drei, die üblicherweise eingesetzt wurden. Und es gab mehr als vierzig Ersatzmänner. Nicht nur, um immer mit voller Kraft rudern zu können, sondern auch wegen der Härte und Grausamkeit des Aufsehers, der uns, die Peitsche in der Hand, überwachte, damit wir uns bis zur völligen Erschöpfung in die Ruder legten, was in nicht wenigen Fällen zum Tod führte. Um den Hals hatte er eine kleine Pfeife hängen, mit der er die Signale für die unterschiedlichen Ruderschläge gab. Es reichte schon aus, daß man sich am Ohr kratzte, damit er die Hiebe seiner dünnen Peitsche auf einen niederprasseln ließ. Die Peitsche hatte er mit Pech eingerieben, damit sie sich beim Schlagen nicht entflocht. Mehr als einmal sah ich, wie an meiner Seite ein Gefährte dem Takt der Ruder folgte, vor und zurück, vor und zurück, nur um dann – wenn die Ruder stillstanden – festzustellen, daß er lediglich vom Ruderschlag mitgerissen worden |57| und schon seit geraumer Zeit tot war, vor Anstrengung krepiert.
Uns Galeerensklaven war dieser Unmensch so sehr verhaßt, daß wir die Stunde unserer Freiheit und der Rache gekommen sahen, als unser Schiff einmal in Küstennähe weit hinter der Flotte zurückgeblieben war, weil wir Wasser einnehmen mußten. Der Aufseher stand neben dem Mast, der das Sonnensegel hielt, und versetzte uns wahllos Peitschenhiebe, während er uns anbrüllte, daß wir mit voller Kraft gegen die Strömung rudern sollten, damit wir endlich hinaus aufs offene Meer gelangten. Um uns besser schlagen zu können, hatte er das Ende der Peitsche um seinen Arm geschlungen. Das wurde ihm zum Verhängnis. Denn zwei der kräftigsten Gefangenen, die sich zuvor durch ein Zeichen verständigt hatten, packten die Peitsche und zogen den Aufseher kopfüber auf die Ruder, wo er dann von Bank zu Bank gezerrt wurde und jeder ihn biß und kräftig auf ihn einschlug, daß er schon tot war, lange bevor er beim Mastbaum ankam.
Ich saß in der Mitte, auf der dritten Position, und das Unglück wollte es, daß er gerade bei mir gelandet war, als die von seinen Schreien alarmierte Janitscharenwache in den Kielraum stürmte. Und so überraschten sie mich mit dem toten Sklavenaufseher über meiner Bank und meinem Ruder, die, wie ich selbst, von Blut getränkt waren.
Angesichts dieser scheinbar sprechenden Beweise stießen sie mich vor ihren Admiral, den sie Euldj Ali nannten. Ich hatte von seiner Grausamkeit bereits gehört, weshalb ich erwartete, daß er mich auf der Stelle der schlimmsten aller Foltern unterwerfen würde. Zunächst einmal hörte sich der Admiral jedoch ungerührt den Bericht über die Vorfälle an, den ihm der Obmann der Wache erstattete. Zumindest vermutete ich das damals, denn obwohl ich Arabisch sprach, verstand ich das Türkische, in dem sie sich unterhielten, keineswegs.
Der Admiral erteilte dem Janitscharen nun einen Befehl, woraufhin dieser auf mich zutrat, mich am Hals packte und seinen Dolch zog. Ich war mir sicher, er würde mir die Kehle |58| durchschneiden. Und in der Tat näherte sich die Klinge meinem Hals
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