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Kryptum

Kryptum

Titel: Kryptum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agustín Sánchez Vidal
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Pluderhosen der Arnauten verkleidet, wie die Türken die Albaner nennen. Wie man mich so zu Euldj Ali führte, kam ich mir lächerlich vor. Meine Aufmachung strafte jegliche Ausrede Lügen, so daß ich mich am besten gleich darauf einstellte, eine furchtbare Strafe zu erhalten, da ich sowohl das Vertrauen als auch den Edelmut meines Herrn mißbraucht hatte.
    Quer über den Hof seines Palasts ging es zu dem Saal, in dem der Grindschädel seine Amtsgeschäfte erledigte. Er schien in Gedanken versunken, doch als er mich hereinkommen hörte, hob er den Kopf und sah mich auf eine Weise an, die alle Worte überflüssig machte. Da packten mich zwei Wachen, und ein Scharfrichter trat mit einem weißglühenden Eisen vor.
    In diesem Moment erhob einer von Alis Ratgebern seine mahnende Stimme:
    ›La taqabbahu al-wajha, fa-inna allaha khalaqa adama ’ala suratihi
.‹
    Es war ein Spruch aus dem Koran, den ich nur zu gut kannte. Alcuzcuz hatte ihn ausgerufen, als mein Vater ihm das Gesicht brandmarken ließ: ›Entstellt niemandem sein Gesicht, denn Allah schuf Adam nach seinem eigenen Bild.‹
    Fartax rief einen seiner Männer zu sich und begann sich mit ihm flüsternd zu beraten, während der Scharfrichter, das glühende Eisen nur wenige Fingerbreit von meinem Gesicht entfernt, darauf wartete, endlich zur Tat schreiten zu dürfen.
    |63| Was Alcuzcuz gesagt hatte, entsprach also der Wahrheit. Im Unterschied zu uns, die wir unsere Sklaven kennzeichnen, wird diese Gewohnheit bei den Türken nicht gern gesehen. Manche behaupten allerdings, man unterließe dies nicht aus Erbarmen mit den Sklaven, sondern weil sie so an Wert verlören. Nur Menschen, die man eines Meineides überführt hat, wird ein Zeichen eingebrannt, damit sie nie wieder ein falsches Zeugnis ablegen.
    ›Ich werde ihn wie einen meineidigen Zeugen behandeln‹, sagte nun der Grindschädel. ›Brennt es ihm aber auf die linke Hand, die rechte braucht er gleich wieder zum Schreiben.‹«
    Raimundo Randa zeigt Ruth das inzwischen verblaßte Brandzeichen, das er auf dem linken Handrücken trägt, bevor er weiterspricht.
    »›Das ist mein Zeichen, und jeder kennt es‹, warnte mich Fartax, nachdem er den Scharfrichter weggeschickt hatte. ›Mit diesem Zeichen gebrandmarkt, wirst du keinen Ort finden, wo du dich vor meinem Zorn verstecken kannst. Wer auch immer es sieht, wird dich der erstbesten türkischen Galeere übergeben, die dich zu mir zurückbringt, weil er weiß, daß ich ihm eine hohe Belohnung zahlen werde.‹ Mit diesen Worten entließ er mich. An der Tür hörte ich jedoch noch, wie er völlig ruhig und ohne die Stimme zu heben sagte: ›Falls du noch einmal zu fliehen versuchst, kannst du dir sicher sein, daß ich dich pfählen lasse.‹«
    »Pfählen? Was ist das genau?« fällt Ruth ihremVater insWort.
    »Es ist ein schrecklicher, qualvoller Tod. Sie spitzen dazu einen großen Pfahl an einer Seite so scharf, wie man es mit den Spießen für einen Braten macht, rammen ihn mit dem stumpfen Ende in die Erde und spießen den Verurteilten dann darauf. Dabei werden der ganze Unterleib und die Brust durchbohrt, bis der Pfahl zum Mund wieder herauskommt. Und so läßt man ihn hängen, bis er stirbt. In der Regel dauert das zwei, manchmal sogar drei Tage …«
    Raimundo Randa hält inne, da Ruth vor Entsetzen erschaudert. Mutet er ihr zuviel zu? Als sie seinen besorgten |64| Blick bemerkt, bittet sie ihn jedoch, mit seiner Erzählung fortzufahren.
    »Nun gut … Nach meinem vereitelten Fluchtversuch verhielt ich mich jedenfalls eine ganze Zeitlang vorbildlich. Dennoch wirkte die kurze Freiheit, die ich genossen hatte, wie ein schleichendes Gift in meinem Körper, zumal mich meine Nachforschungen außerordentlich beunruhigt hatten.
    Die Monate vergingen, und eines Tages kam ein vielgereister griechischer Händler in den Palast. Irgend jemand hatte ihm von meiner mißglückten Flucht erzählt, weshalb er mich nun neugierig danach fragte. Kaum hatte ich mit meiner Erzählung geendet, sah er mich lange an und versicherte mir dann, er werde mir zur Flucht verhelfen. Vorsichtig, wie ich war, wollte ich ihm zunächst kein Gehör schenken. Der Grieche blieb jedoch beharrlich und meinte, mein Fehler sei es gewesen, die Flucht auf eigene Faust zu versuchen, ohne jegliche Erfahrung und Hilfe. Dieses Mal werde nichts schiefgehen. Neben vielem anderen kümmere er sich auch um solche Dinge, das gehöre zu seinem Geschäft.
    ›Mit mir ist noch kein Fluchtversuch

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